Fußball-Wettskandal Auch DFB-Schiedsrichter im Visier der Ermittler
In den bisher größten Wettskandal des europäischen Fußballs ist offenbar auch mindestens ein DFB-Schiedsrichter verwickelt. Nach Informationen des SPIEGEL hat er bei einem Spiel der Regionalliga Süd Schmiergeld kassiert. Die Hauptbeschuldigten der Affäre leben in Deutschland.
Hamburg - Korrupte Spieler, verdächtigte Schiedsrichter, verschobene Spiele: Aus der skandalösen Bestechungsaffäre des europäischen Fußballs werden neue Einzelheiten bekannt. So ist der SSV Ulm tiefer in den Wettskandal verwickelt als bislang bekannt. Nach Informationen des SPIEGEL stehen vier Regionalligaspiele des baden-württembergischen Traditionsvereins aus der Endphase der vergangenen Saison unter Manipulationsverdacht. SSV-Vizepräsident Mario Meuler sagte jedoch: "Wir gehen davon aus, dass niemand mit dieser Sache etwas zu tun hat."
Auch ein Schiedsrichter des DFB soll bei einem Spiel der Regionalliga Süd im Mai Schmiergeld von den mutmaßlichen Wettbetrügern kassiert haben.
Die Hauptbeschuldigten aus der sogenannten "Führungsebene" stammen aus Berlin, Nürnberg, dem Ruhrgebiet und einer Stadt bei Osnabrück. Sie sollen von Deutschland aus etwa 200 Fußballspiele in Europa für ihr Wettgeschäft manipuliert haben.
In Belgien soll die Bande sogar einen Zweitligisten mit korrumpierbaren Spielern unterwandert haben. Einem ähnlichen Vorwurf gehen die Ermittler auch im Fall des in der vergangenen Saison aus der Zweiten Liga abgestiegenen VfL Osnabrück nach. Die Wettbetrüger sollen drei Spiele manipuliert haben oder beabsichtigt haben, diese zu manipulieren.
Der jetzt aufgeflogene Bestechungsskandal ist der größte der europäischen Fußballgeschichte und stellt die Glaubwürdigkeit des millionenschweren Sports massiv in Frage. "Wir sind zutiefst betroffen vom Ausmaß abgesprochener Spielmanipulationen internationaler Banden", sagte Peter Limacher, Leiter der Disziplinarabteilung bei der Europäischen Fußball-Union (Uefa).
Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Bochum. Sie gab am Freitagnachmittag detailliert Auskunft über den Stand der Untersuchung. Ihre bisherigen Erkenntnisse:
- In Deutschland sollen drei Spiele der Dritten Liga, 18 Partien der Regionalligen, fünf Spiele der Oberligen, zwei U-19-Begegnungen sowie vier Spiele aus der Zweiten Bundesliga manipuliert worden sein. Nach Informationen der "Neuen Osnabrücker Zeitung" soll es sich dabei um zwei Spiele mit Beteiligung des Zweitliga-Absteigers VfL Osnabrück gehandelt haben. Die Erste Bundesliga ist nach bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht betroffen.
- Partien in acht weiteren europäischen Ländern sind ebenfalls im Visier, überwiegend Erstligaspiele.
- Noch schwerer wiegt der Verdacht, dass auch Spiele der europäischen Top-Wettbewerbe verschoben worden sein sollen. Die Bochumer Staatsanwaltschaft spricht von zwölf Partien der Europa League und drei Champions-League-Spielen - eine Liga, in der die besten Clubs Europas vor Millionen von Zuschauern um Millionen von Euro spielen. Da Begegnungen der aktuellen Europapokal-Saison betroffen sein sollen, sind sogar Konsequenzen für den laufenden Spielbetrieb möglich.
- Die Polizei ermittelt gegen rund 200 Verdächtige: Zum einen gab es demnach eine "Kerngruppe" von mutmaßlichen Tätern, die durch Bestechung Spielausgänge beeinflussten und auf die Ergebnisse wetteten. Zum anderen gab es die Bestochenen, die die Spiele aktiv manipulierten: Spieler, Trainer, Schiedsrichter und Vereinsoffizielle.
- So sollen spätestens seit Anfang des Jahres Partien verschoben worden sein.
Am Donnerstag wurden allein in Deutschland 15 Personen festgenommen: in Berlin, im Raum Nürnberg und im Ruhrgebiet. Zwei weitere Festnahmen gab es in der Schweiz. Mehr als 50 Durchsuchungen wurden durchgeführt, außer in Deutschland auch in der Schweiz und in Österreich. Dabei wurde mehr als eine Million Euro in Bargeld und Sachwerten sichergestellt.
Ebenfalls am Donnerstag wurde dann ein Spieler des Fußball-Sechstligisten Würzburger Kickers von der Polizei vorläufig festgenommen. Der Verein erklärte auf seiner Homepage, dass man mit Bestürzung auf die Information aus dem privaten Umfeld des Spielers reagiert habe. Der umgehend suspendierte Spieler sei bereits in einen früheren Wettskandal verwickelt gewesen, erklärte Pressesprecher Peter Neuberger. Der Spieler habe damals auf Bitten eines asiatischen Wettbetrügers einen anderen Spieler gebeten, bewusst schlecht zu spielen, was dieser aber abgelehnt habe. Er sei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Diese sei bei seiner Verpflichtung offen diskutiert worden, man habe ihm als Fußballer eine zweite Chance geben wollen.
"Das ist nur die Spitze des Eisbergs"
Die mutmaßliche Tätergruppe um die am Donnerstag festgenommenen Drahtzieher aus dem Hoyzer-Skandal, Ante und Milan Sapina, soll durch die manipulierten Spiele bei Wetten in Asien und Europa insgesamt mindestens zehn Millionen Euro erschwindelt haben. Die Polizei rechnet aber mit einem noch höheren Schaden. Etwa die Hälfte aller Manipulationsversuche sei erfolgreich gewesen.
"Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs", sagte Ermittlungsleiter Andreas Bachmann. Laut Staatsanwaltschaft ist davon auszugehen, dass sich sowohl die Zahl der Tatverdächtigen als auch die Zahl der betroffenen Spiele noch erhöhen wird. Aus ermittlungstaktischen Gründen werden zur Identität weiterer beteiligter Personen sowie zu den betroffenen Vereinen derzeit keine Auskünfte erteilt.
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Schlimmer als der Fall Hoyzer
Der Fall überbietet schon jetzt alle bisher dagewesenen Manipulationsaffären im Fußball. Zum Vergleich: Im bis dahin größten Wettskandal in der Geschichte des DFB um den deutschen Schiedsrichter Robert Hoyzer ging es um 23 Spiele im DFB-Pokal, der Zweiten Bundesliga und in den Regionalligen. Sie waren so manipuliert worden oder sollten so beeinflusst werden, dass die kroatischen Brüder Ante, Milan und Filip Sapina Hunderttausende Euro verdienten. Ante Sapina wurde damals wegen Wettbetrugs zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt, sein älterer Bruder Milan kam mit einer Bewährungsstrafe davon.
mig, jok