Löw im Sardinien-Urlaub Und was, wenn er es noch gar nicht weiß?
Mesut Özil tritt aus der Nationalelf zurück, rechnet mit DFB-Chef Grindel ab. Das ganze Land diskutiert - nur der Bundestrainer schweigt beharrlich. Hat Joachim Löw in seiner Auszeit überhaupt davon mitbekommen?
Wir haben einen Tipp bekommen. Eine winzige Insel vor der Nordküste Sardiniens, dorthin soll er sich zurückgezogen haben nach dem WM-Aus. In der Einöde grübelt Joachim Löw angeblich noch immer über das Mexiko-Spiel, über das Match gegen Korea, darüber, was das jetzt für den deutschen Fußball bedeutet - und für ihn persönlich. Operation "saubere Analyse". Absolute Funkstille hat Löw sich verordnet.
Eigentlich wollten wir ihn schon einen Tag früher überraschen. Die Bucht, in der der Bundestrainer sich versteckt haben soll, ist aber nur per Boot zu erreichen. Kein Fischer will mehr fahren. "Morgen wieder", murmelt schließlich einer, dann aber in aller Frühe, bevor die Juli-Hitze alle Lebensgeister lähmt. Den Abend lassen wir bei Wildschwein und Mirto ausklingen, dem roten Likör, den man hier überall serviert bekommt. Das Gespräch kreist erneut um die entscheidende Frage: Wieso hat Löw sich noch immer nicht zur Causa Özil geäußert? Es muss doch irgendeine plausible Erklärung dafür geben, warum sich der Bundestrainer nicht zum Abgang seines langjährigen Lieblingsspielers zu Wort meldet. Kein Wort des Bedauerns, zu den Umständen, nichts.
Für acht sind wir verabredet, kurz vor neun brechen wir schließlich auf. Das Wasser im Maddalena-Archipel schillert grün bis türkis, es sind die Farben des deutschen WM-Ausweichtrikots. Ein Zeichen? Der grimmige Sarde setzt uns schließlich an einem verlassenen Strand ab. Langsam wird es heiß, ein Klima wie auf der Promenade in Sotschi vor dem Schweden-Spiel, dort hat man Löw zum letzten Mal glücklich erlebt. Im glitzernden Sand liegt ein toter Frosch.
Halb Weltmeistertrainer, halb Eremit
Ein heruntergekommenes Steinhaus mit rötlichen Ziegeln, das muss es sein. Wir klopfen an der Tür - und tatsächlich: Löw öffnet. Etwas schmaler ist er geworden - außer an den Oberarmen -, er raucht offensichtlich wieder, gleichzeitig duftet sein Refugium aber auch nach Pflegeprodukten, die speziell für anspruchsvolle Männerhaut entwickelt wurden. Löw räuspert sich ausgiebig, man merkt, dass er lange mit niemandem mehr gesprochen hat. Er ist in diesen Tagen: halb Weltmeistertrainer, halb Eremit.
In der Hütte hängen wild bekritzelte Zettel an den Wänden, auf einem Tisch liegt ein großes Stück Pecorino, daneben steht eine Espressokanne. Strom hat er hier nicht, mehr Abgeschiedenheit ist kaum denkbar. Funkstille, im wahrsten Wortsinn. Der Smartphone-Akku muss lange schon versagt haben.
"Herr Löw, wir müssen dringend über Mesut Özil reden." - "Fangt ihr schon wieder an mit diesem Foto?" Und ganz plötzlich ist es Gewissheit: Die aktuellsten Entwicklungen kennt der Bundestrainer noch gar nicht, kein I/III, kein II/III, kein III/III. Das erklärt dann auch sein Schweigen.
Löw bricht sich ein gewaltiges Stück Pecorino ab. Er setzt sich, atmet schwer, fragt immer wieder nach. "Der Mesut hat was? Und was sagt der Reinhard dazu?" Der deutsche Fußball hat es am Ende also doch noch in die K.-o.-Runde geschafft. Klar, hätte der Bundestrainer das alles geahnt, er hätte sein Schweigegelübde unverzüglich beendet. Morgen reist er zurück, in aller Frühe. Bevor die Hitze kommt.
Anmerkung: Diese Geschichte ist natürlich komplett erfunden. Und trotzdem ist sie noch immer glaubhafter als die Variante, in der ein Bundestrainer die spektakuläre Rücktrittserklärung eines langjährigen Stammspielers tagelang unkommentiert lässt; eine Erklärung, in der der Präsident des Deutschen Fußball-Bunds ohne große Umwege als Rassist beschrieben wird.
Im Ernst: Wie unsinnig wäre diese Version?