Krisenclub Hansa Rostock "Wollen Aufbruchsstimmung erzeugen"
Sportliche Erfolge gibt es in Rostock schon lange nicht mehr zu feiern: Der ehemalige Bundesligist dümpelt in der dritten Liga. Einzig der Nachwuchs lässt die Fans hoffen. Zum Finale der Deutschen A-Jugend-Meisterschaft strömten 18.500 Zuschauer ins Stadion.
Eine Stunde war gespielt im ehemaligen Ostseestadion in Rostock, als die Menschen auf den Tribünen plötzlich aufsprangen. Sie klatschten und jubelten, als sei gerade das entscheidende Tor für den FC Hansa gefallen in diesem Finale um die Deutsche A-Jugend-Meisterschaft gegen den VfL Wolfsburg. Doch die Begeisterung galt nicht dem Spiel sondern der Zuschauerzahl, die in diesem Moment auf der Anzeigetafel erschien: 18.500.
So viele Menschen waren lange nicht mehr zu einem Fußballspiel in Rostock gekommen, die Profimannschaft tritt in der dritten Liga meistens vor halb so vielen Zuschauern an. Am Sonntag war die Stimmung dagegen dem Anlass entsprechend: Die Rostocker Fans sangen und hüpften wie bei einem Stadtderby in Südamerika - und sie sahen ein Spiel, das enger war als erwartet.
Erst in der Verlängerung setzten sich die favorisierten Wolfsburger 3:1 durch. Hinterher gab es Pfiffe für den VfL und Applaus für Rostocks Nachwuchs. Die Spieler drehten eine Ehrenrunde und machten die Welle vor der Haupttribüne. Wie Verlierer sahen sie nicht aus.
Bayern als Krisenhelfer für Rostock
Das Finale war eine Abwechslung vom trüben Alltag für den FC Hansa. Die erste Mannschaft ist im Keller des Profifußballs verschwunden, wurde in der vergangenen Saison Zwölfter in der dritten Liga. Finanziell ist die Not zudem groß beim ehemaligen Bundesligisten: Im vergangenen Jahr musste die Stadt einspringen, um den Verein vor der Insolvenz zu retten.
Zur neuen Saison werden die Eintrittskarten für die Heimspiele in der dritten Liga teurer. Außerdem löst der Vereine seine Marketing-Abteilung auf, um Personalkosten zu sparen. Ein Benefizspiel zu eigenen Gunsten ist ebenfalls terminiert: Am 14. Juli tritt der FC Bayern im ehemaligen Ostseestadion an.
Der Niedergang des Profi-Sektors steht im Widerspruch zum Nachwuchs, der immer wieder positive Werbung macht: Vor drei Jahren wurden die Rostocker Deutscher A-Jugend-Meister, vor zwei Jahren stand das Team im Pokalfinale. Dass die erste Mannschaft nicht von der funktionierenden Nachwuchsarbeit profitiert, hat mehrere Gründe.
Zehn Trainer in fünf Jahren
Die besten Spieler aus der Jugend sind schwer zu halten. "Viele Leute aus unseren Reihen haben uns verlassen, weil sie die entsprechende Qualität haben", sagte A-Jugend-Trainer Roland Kroos nach dem verlorenen Finale SPIEGEL ONLINE. Zwei Beispiele hat er in der Familie: Seine Söhne Felix und Toni haben in der Rostocker Jugend gespielt, wechselten dann zu Werder Bremen und Bayern München. Außerdem braucht die Integration von Talenten Geduld: "Es dauert, bis sich junge Spieler endgültig durchsetzen", sagt Trainer Kroos. "In einem ruhigen Umfeld ist das natürlich leichter. Und wer Hansa Rostock in den vergangenen Jahren verfolgt hat, der weiß, dass es hier nicht immer ruhig war."
Das ist freundlich formuliert. Zehn Trainer hatten die Rostocker Profis in den vergangenen fünf Jahren. Ein chaotisches Umfeld macht es schwer für junge Spieler, zumal der Wechsel von der Jugend in den Erwachsenenbereich ohnehin eine komplizierte Sache ist: Die Zweikämpfe werden härter, der Druck nimmt zu. "Die Spieler müssen es nicht nur in den Beinen haben - sondern auch mental talentiert sein", sagt Hansas neuer Profi-Trainer Andreas Bergmann.
Bergmann ist vor drei Wochen ins Amt gekommen und soll den Umbruch in der ersten Mannschaft einleiten. Drei Spieler aus der A-Jugend wechseln zur kommenden Saison zu den Profis: Torwart Fabian Künnemann, Kapitän Robin Krauße und Stürmer Nils Quaschner. "Wir wollen eine Aufbruchsstimmung erzeugen", so Bergmann. Da es ist sicher keine schlechte Idee, drei Jugendliche in der ersten Mannschaft aufzunehmen, die gerade ein Finale vor 18.500 Zuschauern bestritten haben.