Nazi-Überfall in Brandis Leipziger Fußballverband lässt Skandalspiel wiederholen
Es war einer der brutalsten Überfälle in der deutschen Fußballgeschichte: In Brandis bei Leipzig griffen rund 50 Neonazis bei einem Bezirksklassespiel die gegnerischen Fans an. Jetzt hat der Verband nach Informationen von SPIEGEL ONLINE entschieden, das Spiel zu wiederholen - zum Entsetzen der Opfer.
Leipzig - Im Streit um das Skandalspiel in der Bezirksklasse des Leipziger Fußballverbandes hat das zuständige Sportgericht eine Entscheidung gefällt. "Die Partie wird neu angesetzt", sagt Verbandspräsident Rainer Hertle auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE - FSV Brandis und Roter Stern Leipzig sollen noch einmal gegeneinander antreten.
Am 24. Oktober hatten rund 50 Neonazis beim Spiel zwischen den beiden Clubs in Brandis den Platz gestürmt und Gästefans mit Eisenstangen und Holzlatten attackiert. Dabei waren vier Menschen teils schwer verletzt worden. Der Schiedsrichter hatte die Begegnung damals nach zwei Minuten abgebrochen.
Als Begründung nannte Hertle den Zeitpunkt des Abbruchs: "Nach zwei Minuten liegt noch kein aussagekräftiges Ergebnis vor, daher haben wir dieses Wiederholungsspiel angesetzt." Die Vorwürfe des Gästevereins, ein Ordner habe die Gruppe Neonazis reingelassen, seien laut Hertle "glaubwürdig entkräftet worden. Der Verein hat die ihm zumutbaren Bedingungen für eine ordnungsgemäße Durchführung des Spiels erfüllt, darum trifft ihn keine Schuld."
Beide Vereine haben jetzt sieben Tage Zeit, die Entscheidung anzufechten. Bei Roter Stern Leipzig denkt man darüber jetzt nach. "Das ist ein unglaubliches Urteil", sagt Sprecherin Claudia Krobitzsch zu SPIEGEL ONLINE. "Wir sind davon ausgegangen, dass das Spiel für uns gewertet wird. Schließlich hat der gastgebende Verein für die Sicherheit zu sorgen und in diesem Fall auf ganzer Linie versagt."
Allein die Tatsache, dass Eisenstangen und Steine im Stadion für die Angreifer bereitlagen, obwohl es entsprechende Vorwarnungen gab, sei ein grober Verstoß gegen die Sicherheitsauflagen, sagt Krobitzsch. "Wir dürfen aus Sicherheitsgründen bei unseren Heimspielen keine Glasflaschen verkaufen, und bei anderen liegen Eisenstangen herum."
Ob ihr Team zu einem Wiederholungsspiel antreten würde, konnte sie noch nicht sagen. Die Tendenz gehe aber eher in Richtung Boykott - "schließlich war die einhellige Meinung nach dem Überfall im Oktober, dass wir da nicht mehr hinfahren".
Trotz der hohen Brisanz denkt der Verband nicht daran, das Spiel auf einer sichereren Anlage wie beispielsweise das Leipziger Zentralstadion zu verlegen. "Ein Achtligaspiel in so einer Arena ist völlig unrealistisch. Wenn wir diesen Wahnsinn mitmachen, können wir den Spielbetrieb einstellen", sagt Hertle.
Fünf Verdächtige in Haft
Nach wochenlangen Ermittlungen hatten die Fahnder in der vergangenen Woche wegen des Vorfalls fünf Neonazis festgenommen. Die jungen Männer seien laut Polizei und Staatsanwaltschaft dringend tatverdächtig, den Sportplatz in Brandis gestürmt zu haben. Gegen die 19 bis 28 Jahre alten Männer war Haftbefehl erlassen worden.
Die Ermittler legen ihnen gefährliche Körperverletzung zur Last. Die Verhafteten seien teils einschlägig vorbestraft, hieß es. Zwei waren nur zur Bewährung auf freiem Fuß. Die Festgenommenen seien dem "gewaltbereiten rechten Spektrum" zuzurechnen, teilten die Behörden mit. Sie stammen aus Stadt und Landkreis Leipzig sowie aus Görlitz. Am Mittwoch wurden vier Wohnungen durchsucht und Beweismaterial sichergestellt. Die Ermittlungen hätten gezeigt, dass die Szene überregional vernetzt ist, so die Sicherheitsbehörden.
Von der Randale existieren zahlreiche Fotos und sogar Videoaufnahmen. "Es ist davon auszugehen, dass neben den Festgenommenen weitere tatverdächtige Personen zeitnah identifiziert werden können", hatten die Ermittler erklärt. Bisher seien rund 275 Zeugen und Hinweisgeber befragt worden. Die Ermittlungen waren wochenlang nur schleppend verlaufen.