Münchens gescheiterte Bewerbung Olympia-Befürworter suchen Schuld bei anderen
Einsicht, Selbstkritik? Von wegen! Die Befürworter einer Münchner Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 kritisieren nach der Abstimmungsniederlage die Bürger. Franz Beckenbauer sagt: "Das wird ihnen irgendwann leid tun."
Hamburg - Als die Entscheidung verkündet wurde, sammelte sich Thomas Bach kurz und sagte: "Das ist eine deutsche Niederlage." Um ihn herum gab es viele traurige Gesichter, das von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude etwa. Und bei Katarina Witt flossen sogar Tränen nach dem Aus für Olympische Winterspiele in München, Bach nahm die Münchner Olympia-Botschafterin kurzerhand tröstend in den Arm.
Fast zweieinhalb Jahre ist das jetzt her.
Damals scheiterte die Bewerbung für die Spiele 2018 auf der Zielgeraden, weil sich Pyeongchang bei der Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gegen München durchgesetzt hatte. Für die Spiele 2022 hat es nicht einmal mehr dafür gereicht, eine erneute offizielle Bewerbung wird es nicht geben, weil die Bürger keine wollen.
Es wäre interessant gewesen zu erfahren, was Bach dieses Mal denkt. Über diese schallende Ohrfeige, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), dessen Präsident Bach bis vor kurzem gewesen ist, und die Stadt München mit all den Befürwortern von der Bevölkerung bekommen hat. Ist das das Ende der olympischen Idee in Deutschland, Bachs Heimat?
"Wir werden die Bewerberstädte am 14. November bekanntgeben. Bis dahin wird es, genau wie zu Entscheidungen anderer Städte, keinen Kommentar geben", ließ Bachs Sprecher Mark Adams ausrichten. Bach ist darauf bedacht, bloß nichts Falsches zu sagen, darin ist er Profi. So hat er es vor wenigen Wochen bis an die Spitze des IOC geschafft, und dort muss man wenigstens versuchen, Neutralität zu wahren. Als IOC-Vize, der Bach im Sommer 2011 noch war, nahm er es da nicht ganz so genau.
Bachs Nachfolger als DOSB-Chef soll Alfons Hörmann werden. Dieser ist aktuell noch Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV) und benannte gleich eines der großen Themen, die auf ihn warten: eine Diskussion, "wie wir diese Schlappe wettmachen und den deutschen Sport in eine erfolgreiche Zukunft führen können". Und dann schob Hörmann noch hinterher, zunächst werde der deutsche Sport "tendenziell" in der Basisarbeit geschwächt.
Sein künftiger Generaldirektor im DOSB, Michael Vesper, sagte, bei den Bürgern "haben Ängste die Wahl bestimmt, nicht die Chancen". Drastischer drückte es Gerd Heinze aus, der Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG: "Auf Deutsch gesagt: Die Bayern haben keinen Arsch in der Lederhose." Und der Kommentar der Fußball-Legende Franz Beckenbauer lautete tatsächlich: "Das wird ihnen irgendwann leid tun."
IOC im Fokus der Gegner einer Münchner Bewerbung
Die Befürworter der Münchner Bewerbung zeigten sich am Tag nach der Abstimmung wenig selbstkritisch und betonten einhellig, die Entscheidung der Bürger sei nicht das Ende für Olympische Spiele in Deutschland. "Ich würde darin keine generelle Absage sehen. Ich glaube, dass es für andere Ereignisse durchaus wieder Begeisterung geben kann", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Und der amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ließ ausrichten: "Man muss jetzt alles tun, dass es beim nächsten Mal klappt." Die Frage ist nur: Kann man das beeinflussen?
Die Absage der Bürger an eine Bewerbung Münchens war ja weniger gegen das Konzept selbst gerichtet. Sie sollte vor allem ans IOC gehen, für Intransparenz, "Knebelverträge", wie es die Gegner nannten, und Kosten, auf denen die Ausrichter sitzenbleiben. Vor allem zeige die Entscheidung das "Misstrauen" gegenüber dem IOC, sagte denn auch der Schweizer Gian-Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbandes und IOC-Vizepräsident.
Noch deutlicher wurde Manfred von Richthofen, DOSB-Ehrenpräsident und als ehemaliger Präsident des Deutschen Sportbundes Vorgänger von Bach: "Das IOC hat keinen guten Ruf. Olympische Spiele haben einen unangenehmen Beigeschmack bekommen. Bach hat einen riesigen Sack von Problemen in Bezug auf Sauberkeit, Doping, Bestechlichkeit, Transparenz. Lösungen sind notwendig."
Vesper widerspricht: "Vieles von dem, was in den letzten Wochen über das IOC berichtet wurde, ist falsch. Da wurde das IOC offenbar oft mit einem anderen großen Weltverband verwechselt."
So kritisch mochte sich DFB-Präsident Wolfgang Niersbach natürlich nicht äußern, weder über das IOC noch über die Fifa. Er sprach von einer "verpassten Chance" für ganz Sport-Deutschland. Auswirkungen auf die Bewerbung für die Europameisterschaft 2024 sieht er nicht: "Da habe ich nicht die geringste Angst." Braucht er auch nicht, schließlich verzichtet der DFB auf eine Befragung der Bürger.
Mit Material von sid