Djokovics Sieg in Wimbledon Zwischen Becker und Borg
Vor einem Jahr erlebte Novak Djokovic in Wimbledon einen der bittersten Momente seiner Karriere. Zwölf Monate später ist er zu einem der größten Rasenhelden der Tennisgeschichte aufgestiegen.
Unter Großen: Seit Beginn der "Open-Era" vor fünfzig Jahren hat niemand häufiger als Roger Federer in Wimbledon gewonnen. Dem Schweizer mit seinen acht Titeln folgen Pete Sampras mit sieben und Björn Borg mit fünf Erfolgen. Novak Djokovic hat mit seinem vierten Triumph Boris Becker und John McEnroe (jeweils drei) überholt.
Das Ergebnis: Djokovic besiegte den Südafrikaner Kevin Anderson im Finale des Turniers in Wimbledon nach 2:19 Stunden 6:2, 6:2, 7:6 (7:3). Hier geht es zum Spielbericht.
Die Entscheidung: Fünf Breakbälle konnte sich Kevin Anderson im dritten Satz erspielen. Verwandeln allerdings keinen. Und das, obwohl Djokovic zum Ende des Satzes hin bemerkenswerte Schwächen zeigte. Gleich drei Doppelfehler produzierte der Serbe beim Stand von 4:5. Doch Anderson rutschte bei einer Chance weg, ein anderer Breakball kam minimal zu lang. Wenn die Tür auf ist, muss man auch hindurchgehen. Anderson tat dies nicht.
Die Taktik: Über seinen ersten Aufschlag setzte Djokovic seinen Gegner unter Druck. Anderson geriet umgehend in die Defensive und spielte zu viele einfache Bälle ins Netz beziehungsweise ins Aus. 32 Unforced Errors waren es am Ende des Matches. Vor allem gegen die Slice-Bälle von Djokovic fand der Südafrikaner kein Gegenmittel. Entweder seine Antworten gerieten zu kurz oder - wenn er sie als Vorlage für einen Angriffsball nutzen wollte - zu lang.
Der erste Satz: Nach einem Doppelfehler von Anderson konnte Djokovic direkt das erste Break holen. Das zweite folgte zum 4:1. 6:2 hieß es nach 29 Minuten. Es roch nach dem einseitigsten Finale seit dem 2002er-Duell zwischen Lleyton Hewitt und David Nalbandian (6:1, 6:3, 6:2).
Der zweite Satz: Der Geruch wurde stärker. Nachdem sich Anderson am Schlagarm behandeln ließ, verlor er erneut sein erstes Aufschlagspiel. 44 Minuten benötigte Djokovic dieses Mal für den Satzgewinn (6:2). Das zweite Break folgte wie im ersten zum 4:1. Das Publikum intervenierte nun zu Gunsten des Außenseiters. So sang- und klanglos wollte man den gemeinsamen Nachmittag dann doch nicht vorbeiziehen lassen.
Der dritte Satz: Die Unterstützung nutzte. Andersons Aufschlagspiel war jetzt wesentlich stabiler, Djokovic bekam immer größere Probleme beim eigenen. Doch er rettete sich selbst nach dem ominösen Doppelfehler-Spiel in den Tiebreak. Dort ging dann alles ganz schnell. Anderson verlor zwei eigene Aufschläge und musste sich nach insgesamt 139 Minuten geschlagen geben.
Kein Comeback: Gegen Roger Federer kam Anderson nach einem 0:2-Rückstand noch zurück, auch beim Duell mit John Isner lag er bereits 1:2 nach Sätzen zurück, um im fünften dann doch noch im zweitlängsten Match der Turnier-Historie 26:24 zu triumphieren - doch im Finale fehlte ihm über zwei Sätze hinweg der Matchplan, um den Favoriten in Bedrängnis zu bringen. Als Anderson dann endlich aufdrehte, war ab und an die absolute Überzeugung nicht zu erkennen, sich bietende Lücken auch auszunutzen.
Tap-tap-tap: Man hätte es Anderson nicht verdenken können, wenn er im Laufe der Partie kurz übers Netz gestiegen wäre, um Djokovic von Angesicht zu Angesicht zu einem etwas forscheren Vorgehen beim Service aufzufordern. Der 31-Jährige ließ die Bälle vorm Aufschlag provozierend häufig aufprallen. Nochmal. Und nochmal. Und dann nochmal.
Diskussionsbedarf: Beim Stand von 5:6 im dritten Satz ließ sich Djokovic zu einem Disput mit Zwischenrufern aus dem Publikum ein, auch der Stuhlschiedsrichter bekam ein paar unfreundliche Takte ab. Kein gutes Vorbild für seinen Sohn im Publikum.
Ein Jahr später: Die Geschichten von Wimbledon 2018 sind Geschichten von Spielern, die nach sportlichen und gesundheitlichen Rückschlägen wieder zurückgekommen sind: Angelique Kerber, Serena Williams und auch Djokovic. Vor einem Jahr musste er sein Viertelfinalmatch gegen Tomas Berdych beim Stand von 6:7 und 0:2 verletzungsbedingt aufgeben. Ein Jahr später ist er erneut Wimbledon-Champion.