Nordische Kombination Das bessere Biathlon
Hat Tradition, wird aber irgendwie nicht ernst genommen: Die Rede ist nicht vom HSV, sondern von der Nordischen Kombination. Warum wird diese Disziplin nur so verkannt? Ein Plädoyer für den perfekten Wintersport.
Pragelato. Das klingt nicht nur sehr italienisch, das ist es auch. Am 11. Februar des Jahres 2006 rundete der blaue Himmel über dem Wintersportort in der Region Piemont das Gesamtbild des wunderbaren Bergpanoramas ab.
Wie es um die Optik im tiefsten Ruhrgebiet - also dort, wo ich lebe - an diesem Tag stand, daran habe ich keine Erinnerungen. Vermutlich grau, so wie fast immer. Meine Gedanken drehten sich sowieso um Schnee, Ski und Schanzen. Im Fernsehen liefen von morgens bis abends die Olympischen Winterspiele in Turin.
Und so lief auch der Wettbewerb der Nordischen Kombination, als Georg Hettich am Schlussanstieg als Außenseiter sensationell attackierte und sich die Goldmedaille schnappte. "Olympiasieger. Ich dachte, das gibt es nur im Fernsehen. Und jetzt bin ich selbst einer", sagte Hettich damals völlig entkräftet, aber überglücklich. Eine sportliche Kindheitserinnerung, ähnlich prägend wie Matthias Steiners Olympiasieg, Jens Lehmanns Zettel im Stutzen oder Oliver Kahns Fehler beim Schuss von Rivaldo 2002.
Hettich hat seine Karriere im Jahr 2010 beendet. Ich bin seitdem vor dem Fernseher sitzen geblieben. Keine Wintersportart ist spannender, vielseitiger und fairer als die Nordische Kombination. Beispiele gefällig?

Frenzel in der Luft
Bei vier Weltcuprennen in dieser Saison betrug der Abstand zwischen dem Sieger und dem Zweitplatzierten jeweils weniger als eine Sekunde. Entscheidungen fallen im Schlusssprint oder auf den letzten Kilometern. Im Vorjahr sicherte sich Eric Frenzel den Gesamtweltcup erst beim allerletzten Rennen in Schonach im Duell mit seinem Mannschaftskollegen Johannes Rydzek.
Bei der Eröffnungsfeier in Südkorea durfte Frenzel nun als dritter Nordischer Kombinierer die deutsche Fahne tragen - ein Zeichen der Wertschätzung für Sportart und Athleten.
Dominiert werden die Wettkämpfe von einer grundlegenden Frage: Schaffen es die besten Springer, ihren Vorsprung in der Loipe zu halten? Ein Versuch von der Schanze, anschließend zehn Kilometer laufen. Die Punktedifferenz wird in zeitlichen Rückstand umgerechnet. So einfach sind die Regeln. Wer als Erster ankommt, der gewinnt auch. Das ist packend für den Zuschauer - vor dem Fernseher und an der Strecke.
Beim TV-Lieblingssport Biathlon ist das zum Beispiel anders. Hier wird mit Strafminuten hantiert und Rückstände aus anderen Rennen werden plötzlich relevant für den neuen Wettkampf. Olympiasiegerin Laura Dahlmeier in allen Ehren: In der Verfolgung hatte die Slowakin Anastasiya Kuzmina am Start einen Rückstand von einer Minute, zum letzten Schießen aber kam sie gemeinsam mit Dahlmeier. Am Ende lag Kuzmina nur 29 Sekunden hinter der Deutschen. Ihre Nettozeit allein für dieses Rennen war also deutlich schneller.

Frenzel in der Loipe
Dazu kommt: Gibt es eine Wintersportart auf der Welt, in der Athleten sowohl körperlich als auch technisch derart unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen müssen? Ein Leichtgewicht in der Luft, ein Kraftpaket im Schnee. Filigrane Technik versus Ausdauer und Tempohärte. Erst breite, dann schmale Ski. All das passt eigentlich nicht zusammen - in der Königsdisziplin des Nordischen Skisports schon. Es ist und bleibt die perfekte Kombination.
Mit dieser Sportart gibt es also zumindest einen Grund, sich über die Spiele von Pyeongchang zu freuen. Zumal es in der jüngeren Vergangenheit keine prominenten Dopingfälle gab. Vielleicht kombinieren die Athleten Sport und Medikamente auch einfach nur geschickter. So wie diese völlig gegensätzlichen Teildisziplinen.