Starinvestor Soros "Griechenland kann seine Schulden niemals zurückzahlen"
Soll Griechenland ein großer Teil seiner Verbindlichkeiten erlassen werden? Unbedingt, sagt George Soros, anders werde sich das Land nicht erholen. Der Investor warnt zudem vor dem Aufstieg extremistischer Parteien, falls Deutschland seine Europapolitik nicht ändert.
Der legendäre US-Großinvestor George Soros fordert einen umfassenden Schuldennachlass für Griechenland. "Jeder weiß, dass das Land seine Schulden niemals zurückzahlen kann", sagte Soros im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Griechenland stehe nach zahlreichen Kraftanstrengungen kurz vor einem jährlichen Primärüberschuss in seinem Staatshaushalt, analysierte Soros, der mit seiner Spekulation gegen das britische Pfund im Jahr 1992 Großbritannien zum Austritt aus dem Europäischen Währungssystem zwang.
"Ich weiß aus Gesprächen, dass Privatanleger in das Land zurückkehren werden, wenn der öffentliche Sektor auf Rückzahlung von Schulden verzichtet, solange Athen die Bedingungen der Troika erfüllt. So könnte sich Griechenland rasch erholen."
Griechenlands Premier Antonis Samaras hat gerade erneut Schuldenhilfe für sein Land gefordert. "Wichtig ist mir, dass nicht zu lange mit einer Lösung gezögert wird", sagte Samaras. Besonders die Bundesregierung lehnt eine Abschreibung griechischer Staatsschulden jedoch ab. Sie will höchstens über niedrigere Zinssätze oder längere Laufzeiten für Kredite diskutieren - Maßnahmen, die viele Ökonomen nicht als ausreichend erachten.
Auch der deutsche Chef des Euro-Krisenfonds ESM, Klaus Regling, gab zu bedenken, nach den Regeln des ESM seien Abschreibungen auf Kredite untersagt. Der Großteil von Griechenlands Verbindlichkeiten wird mittlerweile von öffentlichen Institutionen gehalten, also dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank (EZB) und anderen EU-Mitgliedstaaten. Sollten diese Schulden abschreiben müssen, würde dies Steuerzahler treffen.
Soros erkennt diese Probleme an: "Der öffentliche Sektor kann diese Schulden derzeit nicht abschreiben, weil das eine Vielzahl von Tabus verletzen würde, besonders für die Europäische Zentralbank." Doch diese Tabus seien unter deutscher Führung überwindbar: "Deutschland sollte sich daran erinnern, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg selbst mehrfach von Schuldennachlässen und Stundungen profitiert hat, darunter auch von Griechenland. Nun aber zeigt es sich unnachgiebig."
Soros betonte, französisches Beharren auf hohen deutschen Reparationszahlungen habe nach dem Ersten Weltkrieg zum Aufstieg Adolf Hitlers beigetragen. "Rechtsextreme Gruppierungen wie Golden Dawn in Griechenland sind damit natürlich nicht vergleichbar, der Trend geht aber in eine ähnliche Richtung: Populismus und Extremismus." Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Politik nicht ändere, habe sie mit ihrem Sieg bei der Bundestagswahl einen Pyrrhussieg errungen: "Die Situation, die sich aus der Krise ergeben hat, ist weder stabil noch tolerierbar. Sollte Deutschland nicht mehr Verantwortung übernehmen, wird es zum Auseinanderdriften und schließlich zum Zusammenbruch der Europäischen Union kommen. Das liegt auf keinen Fall im deutschen Interesse - und Europa wäre dann schlimmer dran als zu Beginn des europäischen Einigungsprozesses."
Optimistischer äußerte sich Soros, mit einem Vermögen von geschätzt zwanzig Milliarden Dollar einer der reichsten Menschen der Welt, zum aktuellen Shutdown in Washington. "Das ist vor allem politisches Theater. Die Märkte können die Folgen vorhersehen: Es wird keinen amerikanischen Staatsbankrott und keinen Triumph der Extremisten in der Tea Party geben."