Untreue-Prozess Middelhoff rechtfertigt umstrittene Flüge mit Stau
"Der Chef muss an Deck sein": Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff verteidigt vor Gericht die Nutzung von Privatjet und Helikopter auf Firmenkosten - mit Stau am Kamener Kreuz.
Essen - Eineinhalb Stunden dauert die Fahrt von Bielefeld nach Essen mit dem Auto im Normalfall - wenn die Straße frei ist. Als Thomas Middelhoff Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor war, sei er allerdings zu Wochenbeginn mehrfach drei bis vier Stunden zu spät ins Büro gekommen, weil er wegen Bauarbeiten am Kamener Kreuz mit dem Auto im Stau gestanden habe, sagte der Manager am Montag vor dem Landgericht Essen aus.
Damit verteidigte der 61-Jährige im Untreue-Prozess seine Flüge auf Firmenkosten vom Wohnsitz in Bielefeld zur Firmenzentrale in Essen. Die Verspätungen seien in der damaligen Finanzkrise für das Unternehmen nicht tragbar gewesen. Der Umstieg vom Dienstwagen auf Privatjets und Hubschrauber sei deshalb im Interesse der Firma gewesen.
Ausschlaggebend sei für ihn dabei folgender Gedanke gewesen, sagte Middelhoff vor Gericht: "Der Chef muss an Deck sein und in stürmischer See das Ruder in der Hand halten." Der Manager betonte, seine Verspätungen seien Stress für alle Beteiligten gewesen. Auch sei die Idee zur Nutzung von Flugzeug und Helikopter ursprünglich nicht seine gewesen. Sein Pressesprecher habe den Vorschlag gemacht, den Stau einfach zu überfliegen. "Ich habe es getestet und fand es klasse", sagte Middelhoff. "Wie durch Zauberhand kam ich plötzlich pünktlich an."
Die Staatsanwaltschaft Bochum wirft Middelhoff vor, den inzwischen pleitegegangenen Handelskonzern mit betriebsfremden Kosten in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro belastet zu haben. Darunter sind auch 28 Flüge zwischen seinem Wohnsitz in Bielefeld und der Firmenzentrale in Essen mit Gesamtkosten von mehr als 80.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Kosten für den Weg zum Arbeitsplatz grundsätzlich vom Arbeitnehmer selbst zu tragen sind. Dies gelte auch für Middelhoff.
Dem widersprach der Manager. Als Vorstand eines Multimilliarden-Konzerns sei er in der Lage gewesen, sich für das effizienteste Verkehrsmittel zu entscheiden. Er habe auch keine Zweifel gehabt, dass die Nutzung des Fluggeräts durch seinen Arbeitsvertrag gedeckt sei.
In der vergangenen Woche hatte Middelhoff die umstrittenen Flüge bereits mit dem "permanenten Zeit- und Termindruck" verteidigt, unter dem er als Konzernchef gestanden habe. Zudem seien auch Sicherheitserwägungen für die Wahl des Transportmittels ausschlaggebend gewesen.
fdi/dpa