Lebensmittel-Pranger Geflügelwurst mit Schweinefleisch
Verbraucherschützer haben eine Zwischenbilanz von Lebensmittelklarheit.de gezogen. 6650-mal beschwerten sich Kunden auf dem Portal über Tricks der Hersteller - in jedem dritten Fall mit Erfolg.
Hamburg - "Viele Verbraucher fühlen sich getäuscht": Mit diesen Worten wirbt Gerd Billen für eine Fortsetzung des Internetportals Lebensmittelklarheit.de. Billen ist Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV). "Solange es Täuschungen gibt, brauchen wir ein Portal, das Verbraucherprobleme im Lebensmittelmarkt benennt."
Der VZBV hat am Mittwoch eine Bilanz des Portals vorgelegt. Seit dem Start im Juli 2011 habe es 10.000 Meldungen und Anfragen von Verbrauchern gegeben. Darunter waren 6650 Beschwerden über Produkte, die Kunden bemängelten Aufmachung und Kennzeichnung der Lebensmittel. Die bisher am häufigsten genannten Probleme sind:
- irreführende Begriffe und Bilder auf Verpackungen,
- Zusatzstoffe und Aromen,
- unklare Kennzeichnung von Regionalität oder von Tierarten bei Fleisch und Wurst.
Etwa jede dritte Kritik führte laut VZBV dazu, dass der Hersteller Veränderungen vornahm. So änderte die Bebivita GmbH den Namen eines Gläschens für Babys. Statt "Rindfleisch, fein püriert" steht nun "Rindfleisch Zubereitung" auf dem Etikett. Der Hintergrund: Verbraucher hatten sich beschwert, dass das Gläschen nur 40 Prozent Rindfleisch enthält, während durch den Titel suggeriert werde, es seien 100 Prozent. Die Verbraucherschützer mahnten den Hersteller ab. Im Oktober teilte Bebivita mit, die Etiketten zu ändern.
Neues Tierschutzsiegel geplant
Ein weiteres Beispiel ist ein Multibeerensaft von Alnatura. Verbraucher kritisierten, das Produkt enthalte zu 75 Prozent Apfelsaft. Der Hersteller reagierte und ergänzte das Etikett um einen entsprechenden Hinweis. Offiziell endete das Projekt, das von der Lebensmittellobby immer wieder kritisiert wird, im Jahr 2012. Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) will die Förderung aber fortsetzen. "Der Dialog zwischen Verbrauchern und Lebensmittelwirtschaft funktioniert." Sie könne den Herstellern "nur raten, die Chance zum Dialog mit ihren Kunden noch intensiver zu nutzen".
So enthalten Kalbs- oder Geflügelwurst nicht selten Fleisch anderer Tiere, ohne dass dies im Namen des Produkts deutlich wird. "Wir brauchen ein Klarheitsgebot bei der Kennzeichnung von Fleisch und Wurst", sagt Gerd Billen. Auch die Art der Fleischerzeugung müsse transparent werden. "Wer Fleisch aus artgerechter Haltung will, muss das auf einen Blick erkennen können."
Laut Aigners Ministerium ist ein neues Siegel geplant. Die neue Kennzeichnung soll zunächst für Fleisch und später auch für verarbeitete Produkte wie Wurst vergeben werden. Auf dem blauen Siegel mit einem oder zwei gelben Sternen steht "Für mehr Tierschutz". Vorgesehen sind zwei Stufen. Bewertet werden sollen dafür etwa Haltungsbedingungen wie der Platz für ein Masthuhn oder Mastschwein, Transportzeiten sowie Betäubungsmethoden. So sollen Tiere in der Einstiegsstufe des Siegels etwa ein Drittel mehr Platz haben als gesetzlich vorgeschrieben.
cte