Tüten-Gebrauch Deutsche nehmen Jute statt Plastik
Die Deutschen verbrauchen deutlich weniger Plastiktüten als zu Beginn des Jahrtausends. Das Umweltbundesamt fordert dennoch, häufiger Geld für die Tüten zu verlangen.
Berlin - Jute statt Plastik: Diesen Slogan der Umweltbewegung beherzigen die Deutschen laut einer Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) zunehmend. Der Verbrauch von Kunststofftragetaschen in Deutschland ging demnach von etwa sieben Milliarden Stück im Jahr 2000 auf rund sechs Milliarden im Jahr 2012 zurück. Das ist ein Rückgang um elf Prozent.
Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt der Studie zufolge bei 76 Stück pro Jahr; im EU-Durchschnitt sind es 198. Das liegt offenbar auch an der Wiederverwendung: Knapp drei von vier Verbrauchern (72 Prozent) sagten, sie nutzten Tragetaschen mehrfach - die letzte Verwendung sei die als Müllbeutel. Fast ein Drittel gab an, die Tüten mehr als fünfmal zu nutzen.
Von den 2012 ausgegebenen 6,1 Milliarden Kunststofftragetaschen sei fast die Hälfte wiederverwendbar gewesen, heißt es in der Studie der Verpackungsforscher. Die übrigen Tüten waren beispielsweise zu klein oder zu dünn für einen erneuten Gebrauch.
Das Fazit der Studie unter rund tausend Befragten lautet, dass Verbraucher und Handel überwiegend "sehr verantwortungsbewusst" mit Kunststofftragetaschen umgehen. Das dürfte die Auftraggeber freuen: Die Untersuchung entstand für die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, die Plattform für Kunststoff und Verwertung und den Handelsverband Deutschland, der den deutschen Einzelhandel vertritt.
Die Branche wehrt sich gegen Eingriffe wie das von der EU geplante Verbot für dünne Plastiktüten. In der Studie wird es als "nicht notwendig" zurückgewiesen. Der Anteil der Tragetaschen am Siedlungsabfall betrage 0,17 Prozent und sei kaum relevant. Der EU-Plan bezieht sich nur auf dünne Tüten, wie sie zum Einpacken von Obst und Gemüse im Laden verwendet werden. Dickere Tüten, die an den Kassen ausgegeben werden, wären von dem Plan nicht betroffen.
Das Umweltbundesamt (UBA) forderte den Einzelhandel dennoch auf, Tragetaschen nur noch gegen eine Gebühr abzugeben - wie dies in den meisten Supermärkten bereits der Fall ist. Dort kosten Plastiktragetaschen zwischen zehn und 30 Cent pro Stück. "Einwegtüten sind ein kurzlebiges Produkt", sagte UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann in Berlin. Selbst bei zwei- bis dreimaligem Gebrauch seien sie nur schwer mit Abfallvermeidung und einer effizienten Nutzung der Ressourcen vereinbar. Auch biologisch abbaubare Kunststofftüten seien "keine Alternative".
Holzmann verwies auf die vielen Plastiktüten, die an den Küsten von Nord- und Ostsee angeschwemmt werden. Sie gelangten trotz des in Deutschland hochentwickelten Abfallwirtschaftssystems in die Umwelt.
An der Nordsee seien in den Jahren 2008 bis 2012 im Schnitt 1,5 Plastik-Tragetaschen und drei kleine dünnwandige Plastiktüten pro hundert Meter Küstenlinie gefunden worden, sagte Holzmann. Diese Fragmente würden von den Meereslebewesen mit Nahrung verwechselt, könnten die Mägen der Tiere verstopfen und so zum Tod durch Verhungern oder innere Verletzungen führen. Zusätzlich könnten schädliche Weichmacher ins Meer gelangen.
dab/AFP