Trotz gesunkener Einkaufspreise Versorger entlasten Strom- und Gaskunden 2015 kaum
Der Börsenpreis für Strom ist gefallen, Öl ist viel günstiger - können Verbraucher nun auf sinkende Strom- und Gaspreise hoffen? Kaum, sagen Experten. Auch die Trägheit der Kunden spiele eine Rolle.
Berlin - Die gute Nachricht zuerst: 2015 gehen erstmals seit 14 Jahren für viele Verbraucher die Strom- und Gaspreise runter. Die schlechte Nachricht: Die Nachlässe fallen viel geringer aus, als Experten erwartet hatten. "Von einer wirklichen Entlastung kann keine Rede sein", sagt Jan Lengerke vom Vergleichsportal Verivox.
Beim Strom gebe es zwar zahlreiche Preissenkungen, die Ersparnis zu Beginn des neuen Jahres betrage über alle Anbieter gerechnet aber nur 0,4 Prozent oder etwa fünf Euro pro Haushalt und Jahr. Mit den Preissenkungen beim Strom zum Jahreswechsel 2015 würden größtenteils nur Preiserhöhungen aus dem Jahresverlauf 2014 ausgeglichen, sagt Lengerke. "Im Ergebnis ist das quasi ein Nullsummenspiel für die Verbraucher."
Dem Vergleichsportal Check24 zufolge senkt nur etwa jeder dritte Grundversorger überhaupt seine Strompreise. Demnach haben 321 der rund 840 deutschen Strom-Grundversorger für Januar 2015 Preissenkungen von im Schnitt 2,4 Prozent angekündigt. Das entspricht bei einer vierköpfigen Familie 30 bis 35 Euro Ersparnis im Jahr. Verivox hat 327 Versorger mit Preissenkungen um durchschnittlich 2,4 Prozent zum 1. Januar erfasst.
Kunden der großen Anbieter E.on
, RWE
und Vattenfall
können vorerst nicht auf günstigere Preise setzen. RWE will zwar im kommenden Jahr den Strompreis senken, hat aber noch keinen Zeitpunkt genannt. EnBW
will immerhin einen Nachlass von 1,4 Prozent gewähren. Außerdem sind die Preissenkungen regional stark auf Anbieter in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen konzentriert.
"Eine klare Botschaft an die Verbraucher: Wechselt den Anbieter"
Aus Sicht von Verbraucherschützern ist das definitiv zu wenig - unter anderem, weil der Börsenpreis für die Beschaffung des Stroms in den vergangenen zwei Jahren von mehr als 50 Euro auf nur noch rund 32 Euro pro Megawattstunde gefallen ist. Auch die Ökostrom-Umlage sinkt 2015 erstmals. Der Branchenverband BDEW argumentiert, Börsenpreis-Rückgänge könnten nicht zeitgleich an die Kunden weitergegeben werden, da die Versorger mehrjährige Vertragsbindungen im Stromeinkauf erfüllen müssten.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat bereits im Herbst deutlich stärkere Preissenkungen gefordert, nachdem sie in einer Langzeitstudie die Preise der Grundversorger im bevölkerungsstärksten Bundesland von 2010 bis Sommer 2014 verglichen hatte. Ergebnis: Der von den Versorgern selbst beeinflussbare Preisanteil für Einkauf, Vertrieb und Gewinn sei seit 2010 fast gleichgeblieben - trotz der stark gefallenen Börsenpreise.
"Viele Versorger geben ihr Preissenkungspotenzial einfach nicht weiter", sagt Verbraucherschützer Udo Sieverding. "Das ist eine klare Botschaft an die Verbraucher: Wechselt den Anbieter."
Die Verbraucherzentrale rät außerdem von Preisgarantien der Versorger ab, die vor steigenden Kosten schützen sollen: Da in nächster Zeit eher Preissenkungen zu erwarten seien, nutzten die meist langen Vertragslaufzeiten solcher Verträge nur den Anbietern.
Auch Gasversorger halten sich mit Preissenkungen zurück
Auch beim Gaspreis können Verbraucher vorerst nicht auf eine signifikante Entlastung setzen. Die Gas-Endkundenpreise, die früher eng an das Öl gekoppelt waren, liegen laut einer Erhebung des Preisportals Verivox im Januar 2015 trotz des massiven Ölpreisverfalls nur um gut ein Prozent unter dem Vorjahreswert.
Verivox hat zum 1. Januar 79 Versorger mit Preissenkungen von durchschnittlich fünf Prozent gezählt. Check24 registrierte 59 Preissenkungen und kommt im Schnitt auf Vergünstigungen von 5,2 Prozent. Das klingt zwar nach deutlichen Rückgängen, da es aber über 700 Gas-Grundversorger gibt, bleibt der Preisnachlass auf rund ein Zehntel des Marktes beschränkt.
Auch der Vergleich zwischen Gas und Öl fällt ernüchternd aus: Der Preis für Europas wichtigste Rohölsorte Brent
sei seit Anfang 2014 ungleich stärker, nämlich um 45 Prozent abgesackt, sagte Verivox-Experte Lengerke.
Laut einer Studie der Grünen werden Haushalte und Gewerbe beim Gaspreis um gut anderthalb Milliarden Euro mehr belastet als angesichts der gesunkenen Großhandelspreise notwendig gewesen wäre. "Die Gaspreise der Verbraucher könnten im Gesamtjahr 2014 acht Prozent niedriger sein, wenn die Margen unverändert geblieben wären", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus der Studie.
Auch beim Gas raten Fachleute zum Vergleich und Tarif- oder Anbieterwechsel: Wer noch nie mit seinem Anbieter über einen Wechsel gesprochen hat, also meist im besonders teuren Grundversorgungstarif eingestuft ist, kann damit mehrere hundert Euro pro Jahr sparen. Im Schnitt gibt eine deutsche Durchschnittsfamilie gut 1100 Euro im Jahr für Strom aus (4000 Kilowattstunden) und 1300 Euro für Gas (20 000 Kilowattstunden Erdgas).
Ein Trost bleibt den Verbrauchern: Wenigstens an der Tankstelle können sie vorerst viel Geld sparen.
mmq/dpa