Billiglöhner Zahl der Arbeitsmigranten steigt auf 164 Millionen
Sie gehen überall dorthin, wo es Arbeit gibt - und sie werden oft ausgebeutet. Arbeitsmigranten haben laut Deutschem Institut für Menschenrechte ein hartes Leben. Ihre Zahl steigt dennoch, wie eine Studie jetzt zeigt.
Weltweit leben nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 164 Millionen Arbeitsmigranten in fremden Ländern. Ihre Zahl sei zwischen 2013 und 2017 um neun Prozent gestiegen, berichtete die Organisation, die im Auftrag der Uno soziale Gerechtigkeit und die Rechte von Arbeitnehmern fördern soll.
In den Ländern mit hohen Einkommen ging ihre Zahl allerdings zwischen 2013 und 2017 leicht zurück, hieß es. Konkret sei sie von gut 112 auf gut 111 Millionen gesunken. Mehr Migranten zögen dafür in Länder mit mittleren Einkommen.
Rund zwei Drittel der Arbeitsmigranten leben laut dem Bericht in Ländern mit hohen Einkommen. Fast 24 Prozent sind in Nord-, Süd- und Westeuropa, 23 Prozent in Nordamerika und knapp 14 Prozent in den arabischen Staaten.
- Hannes Lintschnig
Die ILO zählt zu Arbeitsmigranten alle Menschen, die in einem anderen als ihrem Heimatland Arbeit haben oder suchen. Dazu gehören Saisonarbeiter, die etwa als Erntehelfer Geld verdienen, oder Fachkräfte wie Pflegepersonal oder IT-Spezialisten.
Die ILO bezieht auch Flüchtlinge in die Statistik mit ein, sowie Menschen, die sich illegal in Gastländern aufhalten.
"Schwere Arbeitsausbeutung"
Viele dieser Arbeiter sind in prekären Verhältnissen beschäftigt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hält den Schutz ausländischer Arbeiter vor Ausbeutung in Deutschland für absolut unzureichend. Ein Teil der Arbeitsmigranten sei "von schwerer Arbeitsausbeutung betroffen", stellte das Institut in seinem dritten Menschenrechtsbericht fest. Neben Flüchtlingen und Arbeitsmigranten aus Nicht-EU-Staaten erhalten demnach auch zahlreiche Menschen aus EU-Ländern wie Bulgarien oder Rumänien weniger Geld, als ihnen zusteht.
Einige Arbeitgeber zahlten Ausländern Löhne weit unterhalb des Mindestlohns von derzeit 8,84 Euro, heißt es in dem Bericht. Sie führten keine Sozialabgaben für sie ab. Die Ausländer müssten unbezahlte Überstunden leisten, würden in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht.
Oftmals würden sie mit Drohungen oder sogar mit Gewalt davon abgehalten, sich Hilfe zu suchen. Viele schwarze Schafe seien in der Baubranche zu finden, in fleischverarbeitenden Betrieben, in der Pflege, der Prostitution, in der Reinigungsbranche, der Gastronomie und im Bereich Logistik.
Häufig fehlten Arbeitsverträge oder Lohnabrechnungen, sodass es für die Arbeitsmigranten schwer sei, die Ausbeutung zu dokumentieren und ausstehenden Lohn einzuklagen. Um das Machtgefälle zwischen den Migranten und ihren Arbeitgebern zu verringern, hätten andere Staaten ein Verbandsklagerecht von Gewerkschaften eingeführt oder Behörden die Befugnis erteilt, individuelle Lohnansprüche für die Arbeitnehmer einzuklagen.
Kaum Rechtsschutz
Von 33 Betroffenen, die das Institut befragte, schafften es nur zwölf, ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht einzuleiten. Acht von ihnen waren erfolgreich. Wer keine neue Beschäftigung gefunden habe, verzichte demnach oft auf eine Klage, weil er sich sonst während des Verfahrens nicht finanzieren könne. Die Verfahrensdauer für ein Urteilsverfahren an Arbeitsgerichten betrug im Jahr 2017 durchschnittlich 3,1 Monate.
Das Institut schildert den Fall eines rumänischen Bauingenieurs, der seinen Lohn erst unregelmäßig und dann gar nicht mehr erhielt. Als er eine Klage einreichte, wurde ihm per SMS gekündigt.
- Eine umfassende Reportage zum Thema Arbeitsmigration finden Sie hier.
ssu/dpa