Euro-Krise Griechenland erhält offenbar 31-Milliarden-Tranche
Ein neues Milliardenloch im Haushalt und erhebliche Defizite bei den Reformen: Der Bericht der Troika über die Lage in Griechenland wird nicht schmeichelhaft ausfallen. Dennoch ist die Auszahlung der nächsten Hilfstranche laut Medienberichten bereits beschlossene Sache.
Hamburg - Die Reformen in Griechenland kommen nur schleppend voran. Trotzdem wird Griechenland laut zwei Zeitschriftenberichten die nächste Tranche aus dem Hilfspaket erhalten. Die übrigen Euro-Partner halten es demnach für zu riskant, Griechenland die 31-Milliarden-Zahlung zu verweigern und das Land damit in einen unkontrollierten Staatsbankrott zu stürzen.
Nach Angaben der "Wirtschaftswoche" laufen in Brüssel die Vorbereitungen, um die Auszahlung der Hilfstranche sicherzustellen, obwohl der Bericht der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Auflagen für Griechenland nicht als komplett erfüllt einstufen werde. "Die Griechen werden eine Liste von Reformen erhalten, die zu einem bestimmten Datum vom Parlament abgesegnet werden müssen", zitierte das Magazin Quellen in der Euro-Gruppe. Das Geld werde freigegeben, wenn die griechischen Abgeordneten zugestimmt hätten.
Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatten in den vergangenen Wochen betont, dass Griechenland zumindest die Reformpläne umsetzen müsse, wenn es die Haushaltsziele verfehle. Beide rücken nun aber offenbar davon ab, weil Griechenland in der Euro-Zone gehalten werden solle. "Die Angst vor einem Dominoeffekt ist zu groß", sagte ein EU-Diplomat der "Wirtschaftswoche".
Auch das Magazin "Focus" berichtet, die Auszahlung sei beschlossene Sache. Der Bericht der Prüfertroika aus Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank werde "so ausfallen, dass die Politik das Geld freigeben kann", zitierte das Magazin in einer Mitteilung vom Samstag Quellen aus dem Europäischen Parlament.
Unklar sei weiterhin, wann die Troika ihren Bericht vorlegen werde, schrieb der "Focus". In der Euro-Gruppe werde es für möglich gehalten, dass bei der nächsten Sitzung ihrer Finanzminister am 8. Oktober in Luxemburg nur ein mündlicher Zwischenbericht erstattet werde. Das derzeitige Haushaltsloch Athens sei offenbar nicht so groß wie befürchtet, berichtete die Zeitschrift weiter. Statt um 20 Milliarden Euro handle es sich um maximal 18 Milliarden Euro.
Schäuble-Sprecher Martin Kotthaus wies beide Magazinberichte zurück. Gegenüber SPIEGEL ONLINE erklärte er: "Es gibt bei Griechenland keinen neuen Sachstand. Die Troika verhandelt und diskutiert mit der griechischen Regierung und wird dann einen Bericht erstellen. Erst wenn der Bericht vorliegt haben wir eine Basis zu entscheiden, wie weiter vorgegangen werden kann."
Immer deutlicher hatte sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet, dass die griechische Regierung unter Antonis Samaras zwar den Haushalt kräftig zusammenkürzt, die Vorgaben zum Abbau des Haushaltsdefizits aber dennoch nicht einhalten kann. Samaras hatte deshalb gefordert, mehr Zeit für seinen Reformkurs zu erhalten. Die übrigen Euro-Partner zeigten zuletzt Bereitschaft, Samaras bis zu zwei Jahre mehr einzuräumen - vorausgesetzt, der Troika-Bericht attestiert Griechenland, dass es die Reformpläne zumindest inhaltlich einhält. Doch mangels Alternativen scheinen die Euro-Partner nun offenbar gewillt, auch diese rote Linie zu überschreiten.
Offen ist allerdings noch, ob auch der IWF diese generöse Linie mitträgt. Griechische Quellen hatten berichtet, dass der IWF-Vertreter in der Troika sehr viel massiver als seine Kollegen von EU-Kommission und EZB auf größere Reformanstrengungen Athens gedrungen habe.
Das Problem: Selbst vom Parlament beschlossene Reformen werden von der griechischen Verwaltung oft nur schleppend umgesetzt. Um dieses Problem anzugehen, will der IWF offenbar deutsche Rentner und Pensionäre für einen Expertenpool gewinnen. Sie sollen helfen, eine funktionierende Finanzverwaltung in Griechenland aufzubauen. Nach Informationen der "Wirtschaftswoche" sucht der IWF vor allem deutsche "Senior Experts" mit langjähriger Erfahrung im Steuerbereich, die zudem mit Leitungsaufgaben betraut waren. Daneben halten sich seit November 2011 schon rund 170 Steuerexperten aus deutschen Landes- und Bundesfinanzbehörden bereit, um Griechenland beim Aufbau einer effizienten Finanzverwaltung zu helfen.
Allerdings mit mäßigem Erfolg. Wie der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk, sagte, kamen aber erst sieben deutsche Bedienstete in Athen zu kleinen Einsätzen. In zwei- bis dreitägigen Workshops schulten sie griechische Finanzbeamte in der Vollstreckung, Außenprüfung und im Umgang mit Großunternehmen und reichen Bürgern.
ric/afp/ap/dapd