Bankdaten-Dieb Kieber Staatsfeind Nummer eins rächt sich
Mit seinem Datendiebstahl hat Heinrich Kieber den Fall Zumwinkel losgetreten und den Ruf der Steueroase Liechtenstein zerstört. Nun hat der Ex-Banker ein Buch geschrieben, das als Abrechnung mit dem Fürstentum daherkommt - und mit bizarren Details aus dem Leben von Steuersündern unterhält.
Der Mann, der Klaus Zumwinkel zum Verhängnis wurde, gilt als Schwätzer: "Er hat die Gabe, extrem schnell und extrem viel zu reden. Das ist wohl die Eigenschaft, die bei den Leuten den größten Eindruck hinterlässt." So beschreibt ein Bekannter den Liechtensteiner im Dokumentarfilm "Heinrich Kieber Datendieb". Diese Eigenschaft führe aber auch dazu, dass Kieber unterschätzt wird, sagt der Vertraute. Denn hinter der Plauderei stecke enormes Wissen - und große Intelligenz.
Der Film zeigt, wie aus einem Hochstapler und verurteilten Betrüger Liechtensteins Staatsfeind Nummer eins wurde, ein Mann, der dafür sorgte, dass das Fürstentum seinen Ruf als Steueroase verlor und Hunderte Steuerbetrüger um ihr Geld zittern müssen - und um ihre Freiheit. Vor allem der Fall Zumwinkel sorgte für Aufsehen, der Ex-Post-Chef wurde aufgrund von Kiebers Daten zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Am Montag erscheint die Dokumentation auf DVD. Zeitgleich mit der Verbreitung des wenig schmeichelhaften Films hat Kieber nun eine Gegenoffensive gestartet. In der vergangenen Woche gab er dem "Stern" ein neunseitiges Interview, am Sonntag stellte er einen 652 Seiten starken "Tatsachenbericht" ins Internet - "Der Fürst. Der Dieb. Die Daten."
Es ist eine teils spannende, teils banale, teils auch absurde Abrechnung mit dem Fürstentum Liechtenstein - vor allem mit Fürst Hans-Adam II. Wer neue Details zu den Bankdaten oder gar einen zweiten Fall Zumwinkel erwartet hat, wird jedoch enttäuscht. Mehrfach deutet Kieber zwar an, noch belastendes Material über Prominente zu haben. Doch konkret wird der 45-Jährige nicht. Namen von deutschen Firmen und Personen? Fehlanzeige.
Das Buch ist vor allem eine Selbstinszenierung Kiebers, er stellt sich als das Opfer dar, den Fürsten und die Liechtensteiner Justiz dagegen als Täter. Kieber, früher ein glühender Verehrer des Fürstenhauses, fühlt sich betrogen und im Stich gelassen. Dies scheint auch sein zentraler Antrieb für den Datencoup zu sein. Schon 2002 hatte er einen Band mit Kundendaten aus der LGT Bank mitgehen lassen, verkaufte ihn aber erst 2006 - an den deutschen Bundesnachrichtendienst und zwölf weitere Länder.
Enttäuscht vom Fürsten
Bis ins kleinste, für den Leser oft belanglose Detail schildert Kieber seinen Kampf mit dem Fürsten, den er 2003 mit den Bankdaten erpresst hat. Ihm sei es immer um Gerechtigkeit gegangen, schreibt er, um die Verfolgung seiner "Folterer". Und hier wird die Geschichte wirklich krude: Auf 90 Seiten beschreibt Kieber, wie zwei Geschäftspartner ihn 1997 in Argentinien entführten und in einen Wasserturm sperrten. Sieben Tage habe er gelitten, am Ende sogar versucht, sich umzubringen.
Über die Entführung berichten auch die Dokumentarfilmer Sebastian Frommelt und Sigvard Wohlwend. Doch ihr Film zeigt Kiebers Anteil an der Geschichte: Einen seiner Entführer hat er bei einem Immobilienkauf um rund 500.000 Schweizer Franken betrogen. Eine Tatsache, die der Datendieb bei aller sonstigen Detailverliebtheit nur beiläufig erwähnt. Für den Betrug, die Erpressung des Fürsten und den Datendiebstahl wurde er im Januar 2004 zu zwölf Monaten auf Bewährung verurteilt - von einem Liechtensteiner Gericht.
Entscheidend für seinen Schritt, die Daten zu verkaufen, war die Enttäuschung über den Fürsten. Dieser habe ihm sein Wort gegeben: Er werde dafür sorgen, dass die Entführer bestraft werden. Darauf habe er sich immer verlassen, schreibt Kieber, doch 2004 sei ihm erstmals klargeworden, "dass Hans-Adam sein Wort nicht halten würde, nie halten wollte".
"Das war übrigens ich"
Die Ausführlichkeit, mit der Kieber seine Version der Geschichte erzählt, mutet dem Leser viel zu. Obwohl er chronologisch erzählt, ist die Handlung wirr, und es fehlt ein roter Faden. Zudem verwirrt der Autor mit ständigen Wechseln von Ich- und Erzähler-Perspektive. Mehrfach schreibt er von sich in der dritten Person, fängt dies aber nach einem Absatz gleich wieder ein: "Das war übrigens ich."
In den über 650 Seiten gehen daher die spannenden Passagen fast ein wenig unter: Unterhaltsam ist das Buch vor allem, wenn Kieber über seine Arbeit bei der LGT Treuhand und die kriminellen Machenschaften der Kunden schreibt. Seine Aufgabe war es, die Kundendaten der Bank zu digitalisieren. Als "Allrounder" der IT-Abteilung habe er dabei vollen Zugriff auf alle Daten gehabt - und damit auf alle Steuersünder. Mit seinen Kollegen habe er sich anfangs noch einen Wettstreit geleistet: "Wer hat die Akte mit dem dicksten Fisch, das größte Konto?"
Er müsse gestehen, dass es "häufig berauschend war, sich bündelweise die verrücktesten Mandate durchzulesen". So habe es einen Kunden gegeben, der seine Tochter als Begünstigte im Todesfall eingesetzt hatte. Da sie aber mit einem Schwarzen liiert war, habe der Mann die LGT beauftragt, seine Tochter aus dem Stiftungsstatut zu streichen. "Jahre später findet sich ein Vermerk, dass die Tochter nun einen 'Weißen' als Freund hat und wieder in die Begünstigtenliste eingetragen werden soll."
Hat er noch was?
Kieber schreibt, er habe die Kundendaten zwischen Ende August und Anfang Dezember 2002 entwendet. Es vergehen also vier Jahre, bis er sie dem BND und anderen Geheimdiensten verkauft. Von Deutschland bekommt er dafür fünf Millionen Euro, wie viel es aus den anderen Ländern ist, bleibt unbekannt. Die USA geben ihm angeblich 30 Prozent des Geldes, das die Steuerfahnder aufgrund seiner Daten einsammeln können.
Fraglich ist nun, ob der Datendieb tatsächlich noch mehr brisantes Material hat. Am Ende seines Buches kokettiert er, "locker" hätte er noch 13 weitere Kapitel schreiben können, "aber man soll ja nicht alles Schießpulver auf einmal abfeuern". Er arbeite bereits an dem nächsten Buch und wolle Details veröffentlichen, die er dieses Mal zurückgehalten habe - aus rechtlichen Gründen und wegen Sicherheitsbedenken.
Doch wie glaubhaft ist das? Dokumentarfilmer Wohlwend ist skeptisch: Er glaube nicht, dass Kieber "noch wahnsinnig viel hat". Wenn, dann wäre die Buchveröffentlichung doch die geeignete Gelegenheit gewesen, "die nächste Bombe zu zünden".