Strategiepapier Oberste Energielobby fordert Einschnitte beim Ökostrom
Die Lobbyschlacht nach der Wahl ist eröffnet: In einem Strategiepapier fordert der Branchenverband BDEW radikale Einschnitte bei der Ökostrom-Förderung. Alte Kraftwerke sollen eine Prämie für Bereitschaftsdienste bekommen. Kritiker fürchten den Tod der Energiewende.
Hamburg - Die neue Regierung ist noch gar nicht im Amt, doch die Lobbyschlacht um die Zukunft der Energiepolitik hat schon begonnen. Den ersten großen Aufschlag plant der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der Dachverband, der die Interessen von gut 1800 Energiefirmen vertritt, hat ein Positionspapier erstellt, in dem er weitreichende Forderungen an die Regierung stellt, wie die deutsche Energiewende vorangetrieben werden soll.
In dem Dokument, das in Kürze präsentiert werden soll und dessen Entwurf SPIEGEL ONLINE vorliegt, verlangt der BDEW unter anderem eine radikale Reform der Förderung erneuerbarer Energien. Bislang bekommen Investoren beim Bau einer Wind-, Solar- oder Biogasanlage einen Fixpreis für den Ökostrom garantiert, den sie produzieren - ganz gleich, wo der Börsenstrompreis gerade steht.
Der BDEW will das nun grundlegend ändern. Eine Ökostromanlage soll ihre Elektrizität künftig wie ein Atom- oder Kohlekraftwerk zum aktuellen Börsenstrompreis verkaufen, auf diesen fluktuierenden Verkaufspreis würde eine feste Prämie draufgeschlagen. Die Höhe dieser festen Prämie soll in regelmäßigen Zeitabständen neu festgelegt werden - in Form einer Auktion.
Wer eine neue Ökostromanlage bauen will, soll vorab sagen, wie hoch die feste Prämie sein muss, damit sich sein Investment rechnet. Verschiedene Interessenten würden sich dadurch gegenseitig unterbieten, heißt es im BDEW-Papier. Das schone die Verbraucher, auf die die Kosten der Ökostromförderung durch die sogenannte EEG-Umlage letztlich umgewälzt werden. Die Förderung der erneuerbaren Energien soll nach Willen des Verbands schrittweise auf diese sogenannte Ex-Ante-Prämie umgestellt werden. In dem Papier steht, dies solle zum 1. Januar 2016 erfolgen. Der BDEW wies jedoch nachträglich darauf hin, man habe sich letztlich gegen die Forderung eines konkreten Datums entschieden.
Die Forderung nach einer Ex-Ante-Prämie provozierte im BDEW nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen lange Streit. Die Zentralen der großen Energiekonzerne drängten darauf, Vertreter des Ökostromlagers und der Erneuerbare-Energien-Sparten von RWE & Co dagegen warnten, das Modell würde den Ökoenergien "den Todesstoß versetzen".
Denn die fixe Prämie würde die Kosten für den Bau neuer Anlagen nicht abdecken, und die Entwicklung der Börsenstrompreise lässt sich nicht seriös prognostizieren. Ein Anlagenbauer wüsste weder, wie schnell er seine Ausgaben wieder einspielt, noch wie hoch seine Rendite ist. Die Investitionsrisiken würden steigen, Geldgeber könnten verprellt werden. Im Bundeswirtschaftsministerium sehen manche Fachleute die Ex-Ante-Prämie aus diesem Grund skeptisch.
Der BDEW nahm auf Nachfrage nicht dazu Stellung, wie man entsprechende Fehlsteuerungen vermeiden könnte. Man müsse erst ein funktionierendes Modell entwickeln, ehe man eine ex-ante fixierte Marktprämie einführen könne, teilte der Verband lediglich mit.
BDEW fordert unbegrenzte Kapazitätsmärkte
Der zweite Reformvorschlag, den der BDEW der Regierung macht, befasst sich mit der Weiterentwicklung des deutschen Kraftwerksparks. Wenn der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Strommix weiter steigt, werden die althergebrachten fossilen Kraftwerke eine neue Rolle übernehmen müssen: Statt stur durchzulaufen, sollen sie künftig eher punktuell Versorgungslücken ausgleichen, wenn Solar- und Windanlagen gerade nicht arbeiten.
Das Problem ist nur: Für die Betreiber der alten Kraftwerke rechnet sich das nicht. Sie verkaufen immer weniger Strom, ihre Kraftwerke werden reihenweise unrentabel. Die Betreiber drohen damit, sie einzumotten, wodurch Versorgungslücken entstehen könnten.
Der BDEW fordert nun Kraftwerke zu belohnen, wenn sie Bereitschaftsdienst leisten. Stromlieferanten sollen künftig verpflichtet werden, mit sogenannten Versorgungsnachweisen zu belegen, dass ihren verkauften Strom stets pünktlich liefern können. Sie sollen sich bei Kohle- und Gaskraftwerken Reserven sichern, für den Fall, dass Ökostromanlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ausreichend Strom produzieren. Die Kraftwerksbetreiber erhalten für die Bereitstellung dieser Reserven eine entsprechende Vergütung - unabhängig davon, ob sie letztlich wirklich Strom liefern oder nicht.
Das Hauptargument für einen solchen Kapazitätsmarkt ist laut BDEW die Sicherheit der deutschen Stromversorgung. Was der Verband nicht erwähnt, ist der finanzielle Nutzen, den dieser Markt für die Energiekonzerne hätte. Ihre alten, immer unrentableren Kraftwerken würden so frisches Geld kassieren.
Insidern zufolge drängten zunächst vor allem die Stadtwerke, vertreten durch den Verband kommunaler Unternehmen (VKU), auf das vom BDEW vorgeschlagene Modell. Die großen Energieversorger dagegen lehnten es lange ab. Erst seit einigen Monaten gehören sie zu seinen Unterstützern. Sie haben offenbar einmal nachgerechnet, was ein Kapazitätsmarkt unterm Strich bringt: Experten zufolge könnten es mehrere Milliarden Euro sein.