Euro-Sondergipfel Sarkozy drückt Europäischen Währungsfonds durch
Die Euro-Regierungschefs haben das zweite Griechenland-Paket beschlossen, private Gläubiger beteiligen sich mit einer erstaunlich hohen Summe - ein Erfolg für Angela Merkel. Die Kanzlerin musste aber auch eine Niederlage hinnehmen: Die Euro-Zone macht einen weiteren Schritt Richtung Transferunion.
Am Ende gab es dann doch noch einiges zu verkünden. Man habe das zweite Griechenlandpaket beschlossen "und so manches mehr", sagte Angela Merkel am Donnerstagabend nach dem Sondergipfel der 17 Euro-Länder in Brüssel. Sie wirkte zufrieden und sprach von einem "wichtigen Tag".
Dabei hatte die Kanzlerin diesen Sondergipfel bis zuletzt für überflüssig gehalten, nur widerwillig ließ sie sich auf ihn ein. Man solle bloß keine spektakulären Schritte erwarten, hatte sie noch am Dienstag gewarnt. Spektakulär ist die Einigung tatsächlich nicht, aber sie verschafft doch die dringend benötigte Klarheit.
Die 17 Regierungschefs beschlossen, Athen noch einmal mit insgesamt 109 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen. Der Großteil des Geldes kommt aus dem europäischen Rettungsschirm EFSF und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Private Gläubiger wollen zusätzlich 50 Milliarden Euro bis 2014 beisteuern - durch eine Mischung aus Schuldenrückkauf und Anleihentausch. Diese Summe ist deutlich höher als zuletzt erwartet. Das kann Merkel sich als persönlichen Erfolg zuschreiben.
Gleichzeitig soll der EFSF neue Kompetenzen erhalten, um das Übergreifen der Euro-Krise auf weitere Länder zu verhindern. Unter anderem soll er direkt Staatsanleihen am Sekundärmarkt - also bei Banken und Versicherungen - kaufen können, um kriselnde Länder zu stützen. Es ist ein weiterer Schritt Richtung Transferunion.
"Man kann den Vergleich zum IWF ziehen"
Zwar wurden hohe Hürden für den Anleihenkauf errichtet: Erst muss die Europäische Zentralbank eine außergewöhnliche Lage in einem Land feststellen, und dann müssen alle 17 Euro-Länder zustimmen. Die Bundesregierung behält also ein Vetorecht. Aber Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy konnte sich freuen: Der Rettungsschirm werde zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut, jubelte er.
Tatsächlich gleicht der EFSF immer mehr dem IWF in Washington. Er darf nun auch präventive Kreditlinien an Länder vergeben, die ins Visier der Finanzmärkte geraten. Und er darf Gelder für die Rekapitalisierung von Banken verwenden. Auch Merkel, die immer gegen die Idee eines Europäischen Währungsfonds war, musste zugeben: "Man kann so einen Vergleich ziehen."
Der in Brüssel vorgestellte Rettungsplan ist ein klassischer deutsch-französischer Kompromiss. Sarkozy gab in der Frage der privaten Gläubigerbeteiligung nach, dafür kam Merkel ihm entgegen, indem sie dem Anleihenkauf durch den EFSF zustimmte. Dies hatte der Koalitionspartner FDP bis zuletzt vehement bekämpft.
Aus dem Urlaub an der Ostsee steuerte Vizekanzler Philipp Rösler seinen Teil bei. Der FDP-Chef war von Merkel gebeten worden, den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, einen Liberalen, auf dem Laufenden zu halten. Rutte seinerseits informierte die kleineren Euro-Länder über den Stand der Gespräche in Berlin. Es sollte vermieden werden, dass sie sich von Berlin und Paris übergangen fühlten - wie zuletzt im Oktober 2010 im Seebad Deauville. Dort hatten sich Merkel und Sarkozy im Alleingang auf Regeln für EU-Defizitsünder verständigt. Rösler telefonierte auch mit Großbritanniens Vizepremier Nick Clegg. Zwar ist das Land nicht Mitglied der Eurozone, dennoch mit seinem Finanzplatz London einer der wichtigsten Player. Es klappte, die Runde der 17 segnete den deutsch-französischen Vorschlag ab.
Rösler begrüßte die Einigung am Freitagmorgen: "Europa hat in einer schwierigen Situation gezeigt, wie stark es ist. Die Euroländer haben ihre Handlungsfähigkeit bewiesen und ein wichtiges Signal für die Stabilität in der Eurozone gegeben. Das ist ein gutes Ergebnis."
Zuletzt hatte sich Rösler noch gegen den Ankauf von Staatsanleihen durch den EFSF auf dem Sekundärmarkt, also bei Banken und Versicherungen, gesperrt. Schon im Verlaufe des Donnerstags hatte es aus FDP-Kreisen aber geheißen, man müsse "eine Kröte" schlucken. Nun soll der EFSF unter bestimmten Bedingungen doch Staatsanleihen zurückkaufen können. Rösler verteidigte den Kompromiss, wohl auch mit Blick auf mögliches Murren in den eigenen Reihen: "Wichtig ist, dass Sekundärmarktkäufe nur in engen Grenzen möglich sind. Sie kommen nur im Ausnahmefall in Frage, um eine Ansteckung anderer Staaten zu vermeiden. Dazu ist auch eine Analyse der EZB notwendig. Zudem muss dafür Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten bestehen. "
Vor dem großen Wurf, dem Schuldenschnitt für Griechenland, schreckten die Regierungschefs aber erneut zurück. Dabei halten viele Experten diesen Schritt für unumgänglich, um das griechische Schuldenproblem nachhaltig zu lösen.
Rating-Agenturen werden Griechenland wohl für zahlungsunfähig erklären
Immerhin trippelten die Regierungschefs weiter in die richtige Richtung. Durch die Beteiligung der privaten Gläubiger sinkt die griechische Staatsschuld von derzeit 160 Prozent der Wirtschaftsleistung um 12 Prozentpunkte, durch eine Senkung des Zinssatzes für EFSF-Kredite sollen weitere 12 Prozentpunkte abgebaut werden.
Entscheidend für den Gipfelerfolg war das Plazet der EZB. Die Währungshüter hatten sich bis zuletzt gegen jegliche Gläubigerbeteiligung gewehrt, weil sie keinen Zahlungsausfall eines Euro-Landes riskieren wollten. Nun haben sie dem Umtausch der griechischen Anleihen unter strikten Bedingungen zugestimmt.
Den Besitzern griechischer Anleihen soll im Herbst das Angebot gemacht werden, diese gegen frische, vom EFSF garantierte Papiere zu tauschen. Der Umtausch soll in einem festgesetzten Zeitraum von wenigen Tagen stattfinden. Die neuen Anleihen sollen Laufzeiten von 15 bis 30 Jahren und einen niedrigen Zinssatz von 3,5 Prozent haben. Das, so die Hoffnung der Euro-Regierungschefs, gibt Griechenland genug Zeit, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.
Der Plan wird voraussichtlich dazu führen, dass die Rating-Agenturen Griechenland im Herbst einige Tage lang für zahlungsunfähig erklären werden. Doch halten die Regierungschefs das Risiko für beherrschbar. Die Rating-Agenturen sind vorgewarnt: Sie wollen das Rettungspaket zunächst prüfen. Wenn der Anleihentausch beginnt, irgendwann nach der Sommerpause, werden sie den teilweisen Zahlungsausfall feststellen. Sobald der Umtausch abgeschlossen ist, wird Griechenland wieder hochgestuft, weil die Anleihen dann vom EFSF mit seinem Triple-A-Rating garantiert sind. Soweit der Plan - wie die Märkte letztendlich reagieren werden, kann niemand vorhersagen.
Mitarbeit in Berlin: Severin Weiland