Millionenskandal Fahnder decken Rekordbetrug mit EU-Geldern auf
Im Kampf gegen Mauscheleien mit europäischen Steuergeldern haben Fahnder einen millionenschweren Betrugsfall in Italien aufgedeckt. Dort flossen 389 Millionen Euro zu Unrecht in ein Straßenbauprojekt. Es ist der größte Finanzskandal, den die Korruptionsbekämpfer bisher aufgespürt haben.
Brüssel - Europäische Fahnder haben in Italien den bisher größten Betrugsfall mit EU-Geldern aufgedeckt. In Kalabrien flossen 389 Millionen Euro zu Unrecht in ein Straßenbauprojekt, berichtete die europäische Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf (Office européen de lutte anti-fraude) in ihrem Jahresbericht für 2011. Welche Dimension der Fall hat, zeigt ein Blick auf die Gesamtbilanz der Fahnder: Insgesamt erwirkten sie im vergangenen Jahr die Rückzahlung von 691 Millionen Euro an den EU-Haushalt.
"Es handelt sich um einen außergewöhnlich hohen Betrag, der aufgrund besonderer Umstände zustande kommt", heißt es in dem Bericht. Denn mehr als die Hälfte der zu Unrecht verwendeten Mittel entfiel damit auf das Projekt im süditalienischen Kalabrien. Dort wollten Betrüger 389 Millionen Euro abzweigen, die aus EU-Strukturfonds in ein Straßenbauprojekt fließen sollten. Bei dem langjährigen Straßenbauvorhaben monierten die Fahnder neben Interessenkonflikten illegale Vergaben an Subunternehmer und Bilanzfehler.
Der Fall sei in Zusammenarbeit mit italienischen Ermittlern und der EU-Kommission aufgeklärt worden, hieß es. Die Kommission habe bereits in einem Verkehrsprogramm zwischen 1994 und 1999 sowie zwischen 2000 und 2006 schwere Unregelmäßigkeiten festgestellt. Als dazu Berichte von der Region Kalabrien angefordert wurden, sei der Betrug ans Licht gekommen. Bei den Mitteilungen der italienischen Behörden seien schwere Versäumnisse festgestellt worden.
Insgesamt untersuchte Olaf im vergangenen Jahr 463 Fälle von Betrug und Korruption im Zusammenhang mit EU-Geldern. Drei Viertel der Rückforderungen wurden im Bereich der EU-Strukturfonds geltend gemacht. Dort wurden rund 525 Millionen Euro falsch ausgezahlt und 2011 zurückgeholt. Bei Zollbelangen wurden 114 Millionen eingezogen. Hier nennt die Behörde in ihrem Bericht als Beispielfälle einen chinesischen Plastiktütenhersteller, der den Zoll umging. Er hatte seinen Tüten den Namen eines anderen chinesischen Herstellers gegeben, der wegen seines hochwertigen Produkts geringere Anti-Dumping-Abgaben beim Export in die EU zahlen muss. Solche Abgaben sollen verhindern, dass die oft sehr günstige chinesische Konkurrenz die europäischen Hersteller unterbietet.
Gerichte verhängten Haftstrafen von insgesamt 511 Jahren
Auch eine Bande russischer Zigarettenschmuggler ließen die Ermittler hochgehen. Die Betrüger schmuggelten Zigaretten von Russland und der Ukraine aus über Weißrussland und Litauen nach Deutschland und Polen. Dort verkauften sie sie auf dem Schwarzmarkt. Rund 6,5 Millionen Euro an Steuern und Zollabgaben entgingen so dem EU-Haushalt. Im Bereich der Landwirtschaft waren 34 Millionen Euro zu Unrecht kassiert worden.
Infolge der von Olaf angestoßenen Verfahren verhängten nationale Gerichte Haftstrafen von insgesamt 511 Jahren und Geldbußen in Höhe von 155 Millionen Euro, teilte die Behörde mit.
Olaf bekämpft Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten in Europa, sofern sie den Gemeinschaftshaushalt betreffen. Dazu gehört auch Fehlverhalten innerhalb der EU-Institutionen. Ihre Berichte reichen die Betrugswächter an die nationalen Kontrollbehörden weiter, die dann wiederum für die Strafverfolgung zuständig sind. Olaf bekam nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 1046 Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von EU-Geldern. Drei Viertel der Meldungen kamen demnach aus privaten Quellen.
Die Behörde wurde 1999 gegründet und konnte nach eigenen Angaben seitdem 3500 Ermittlungsfälle abschließen. Dabei wurden insgesamt 1,1 Milliarden Euro in den EU-Haushalt zurückgeholt. Die laufenden Kosten für die eigene Tätigkeit beziffert Olaf für das Jahr 2011 auf 58 Millionen Euro.
mmq/dpa/dapd