Stabile Konjunktur Deutschland schafft Milliarden-Überschuss
Die Wirtschaft wächst, die Beschäftigung ist auf einem Rekordhoch: Deshalb hat der deutsche Staat im ersten Halbjahr 8,5 Milliarden Euro mehr eingenommen, als er ausgab. Das Plus ging vor allem auf das Konto von Ländern und Kommunen.
Wiesbaden - Die gute Wirtschaftslage hat Deutschland inmitten der europäischen Schuldenkrise einen Überschuss beschert. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen nahmen im ersten Halbjahr zusammen 8,5 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Das entspricht 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zu verdanken sei dies "einer im europäischen Vergleich insgesamt günstigen Beschäftigungssituation und stabilen Wirtschaftsentwicklung".
Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im zweiten Quartal mit 0,7 Prozent so stark wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr - entsprechende erste Schätzungen bestätigten die Statistiker nun. Zugleich erreichte die Zahl der Erwerbstätigen ein Rekordhoch. Den neuesten Berechnungen zufolge hatte die deutsche Wirtschaft im Auftaktquartal 2013 stagniert, im Schlussquartal 2012 war das BIP sogar um 0,5 Prozent zurückgegangen.
Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr bislang mit einem Staatsdefizit von rund 0,5 Prozent. 2012 hatte es noch einen Mini-Überschuss von 0,1 Prozent gegeben, 2011 dagegen ein Defizit von 0,8 Prozent.
Der Bundeshaushalt lag in den ersten sechs Monaten mit 2,2 Milliarden Euro im Minus. Das waren knapp sechs Milliarden Euro weniger als ein Jahr zuvor. Die Bundesländer kamen zusammen auf einen Überschuss von 1,2 Milliarden Euro, während die Kommunen sogar 5,3 Milliarden Euro mehr einnahmen, als sie ausgaben.
Der Überschuss in der Sozialversicherung fiel mit 4,3 Milliarden Euro niedriger aus als vor einem Jahr. "Gründe hierfür waren zum Beispiel die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge und der Wegfall von Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt", schrieben die Statistiker.
Unternehmen investieren wieder in Ausrüstung
Das Wirtschaftswachstum wurde vor allem von der Binnenwirtschaft getrieben: Der private Konsum legte um 0,5 Prozent zu, der staatliche Verbrauch erhöhte sich um 0,6 Prozent. Auch die zuvor lange rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen zogen um 0,9 Prozent an: Offenbar ermutigt von der wirtschaftlichen Lage stecken die Unternehmen wieder mehr Geld in Maschinen und andere Ausrüstungsgüter. Die Bauinvestitionen legten nach dem kalten Winter besonders stark um 2,6 Prozent zu. Der Außenhandel trug 0,2 Prozentpunkte zum Gesamtwachstum bei.
Die Struktur des Wachstums sei "sehr gut", sagte Holger Sandte vom Finanzkonzern Nordea. "Es wird stärker von innen getrieben, was gut ist für Deutschland und den Euro-Raum." Der Überschuss könne auch die Debatte beleben, ob Deutschland wegen der schwierigen Lage in den anderen Euro-Ländern mehr ausgeben sollte. "Ein kleiner Spielraum dafür ist da. Aber ich glaube nicht, dass da politisch etwas passieren wird."
Christian Schulz von der Berenberg Bank sprach von einem "sehr soliden" zweiten Quartal. "Das könnte der Beginn eines längeren Aufschwungs bei den Investitionen seien. Niedrige Zinsen und das zurückkehrende Vertrauen bilden eine gute Basis dafür." Trotz des Überschusses sei die Staatsverschuldung aber noch hoch. "Wir werden noch Jahre vorsichtiger Fiskalpolitik brauchen, um den Schuldenstand von derzeit gut 80 Prozent wieder unter die erlaubte Grenze von 60 Prozent zu bringen."
Angesichts der neuen Zahlen dürfte die Defizitschätzung für das Gesamtjahr etwas zu pessimistisch sein, sagte Thilo Heidrich von der Postbank. "Ich denke, dass die Bundesregierung ihre Prognose noch nach oben revidieren wird."
Selbst falls Deutschland übers gesamte Jahr noch ein Minus machen sollte, dürfte dies weit unter drei Prozent der Wirtschaftskraft liegen. Diese Defizitquote wurde in der Schuldenkrise zuletzt häufig verletzt. Im vergangenen Jahr nahmen nur zehn von 27 EU-Staaten die sogenannte Maastricht-Hürde, darunter Deutschland.
dab/dpa/Reuters