Prognose der Arbeitsmarktforscher Mindestlohn beschert dem Staat zusätzliche Milliarden
Für den Fiskus könnte sich die Einführung des Mindestlohns lohnen. Arbeitsmarktforscher rechnen mit zusätzlichen Einnahmen für den Staat. SPD-Fraktionschef Oppermann erwartet aber auch, dass einige Firmen angesichts höherer Löhne aufgeben müssen.
Berlin - Ab kommendem Jahr gibt es in Deutschland einen Mindestlohn. Kritiker warnen vor Folgen für den Arbeitsmarkt. Doch Forscher prognostizieren für die öffentlichen Haushalte zusätzliche Einnahmen. Per saldo könnten sie um jährlich 2,2 bis drei Milliarden Euro entlastet werden, sofern keine Beschäftigung verloren gehe, sagte Jürgen Wiemers vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der "Rheinischen Post".
Allein die Einnahmen der Sozialversicherung dürften sich dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit zufolge um 2,9 bis 4,5 Milliarden Euro im Jahr erhöhen. Zudem werde der Fiskus über eine Milliarde Euro zusätzlich an Einkommensteuer einnehmen, sagte Wiemers. Dem stünden allerdings höhere Personalkosten der Arbeitgeber gegenüber, weswegen hier weniger Steuern zu erwarten seien.
Befürworter des Mindestlohns verweisen darauf, dass der Staat bisher viele Niedriglöhner finanziell unterstützen muss, was durch die Lohnuntergrenze künftig entfallen soll.
Seit mehr als zehn Jahren haben Gegner und Befürworter über den Mindestlohn gestritten. Am Donnerstag beschloss der Bundestag eine gesetzliche Lohnuntergrenze. Ab Januar 2015 sollen Arbeitnehmer wenigstens 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Mit dem Gesetz wird der Verdienst von 3,7 Millionen Arbeitnehmern aufgestockt. Für einzelne Branchen gelten aber tarifvertragliche Übergangsregelungen bis Ende 2016.
"Billiglohn-Firmen haben keine Berechtigung"
Dass Unternehmen durch den Mindestlohn in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten werden, davon gehen Politiker fest aus. Funktioniere ein Firmenmodell nur deshalb, weil Arbeitnehmer mit 5,50 Euro pro Stunde abgespeist werden, habe es "in der Zukunft in der Tat keine Berechtigung", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Donnerstag in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Allerdings räumte der SPD-Politiker ein, dass neben Billiglohn-Firmen vor allem Kleinbetriebe mit der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro in "objektive Schwierigkeiten" geraten könnten und abzuwarten bleibe, "wie sie die bewältigen können".
Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) rechnet vor allem in Ostdeutschland mit Problemen. Dort seien die Löhne noch deutlich niedriger als in den alten Bundesländern und die Konkurrenten in Polen und Tschechien nah, sagte er. Mit der ersten Evaluierung des Mindestlohnes in zwei Jahren müssten dessen Folgen deshalb genau überprüft werden: "Es kann nicht sein, dass wir im Osten Arbeitsplätze vernichten", sagte Fuchs.
Bei den Deutschen stößt die neue Mindestlohnregelung ganz überwiegend auf Wohlwollen. Im ARD-"Deutschlandtrend" vom Donnerstag sprachen sich 88 Prozent der Befragten für die gesetzliche Lohnuntergrenze aus. Lediglich zehn Prozent sind laut der repräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap dagegen. Hinsichtlich der zahlreichen Ausnahmeregeln hält sich die Zahl der Befürworter und Kritiker demnach nahezu die Waage.
Die gesetzlichen Ausnahmen vom Mindestlohn für einzelne Branchen sowie Jugendliche, Langzeitarbeitslose und Praktikanten stoßen aber bei den Oppositionsparteien auf Kritik. Wirtschaftsverbände dagegen warnen vor den Folgen der Lohnuntergrenze. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kritisierte die Einführung. Es bestehe das Risiko, dass Unternehmen im Aufschwung weniger neue Stellen schafften, sagte er. Insbesondere geringqualifizierte Arbeitskräfte hätten in Zukunft schlechtere Chancen auf Beschäftigung.
mmq/Reuters/AFP