Aussage zu Niedrigzinsen SPD-Wirtschaftsforum attackiert Merkel
Alles nicht so schlimm mit den Niedrigzinsen? Das Wirtschaftsforum der SPD ärgert sich über eine Aussage von Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin habe "das Problem offensichtlich nicht verstanden".
Der Ton zwischen Union und SPD wird rauer. Während Parteichef Sigmar Gabriel immer häufiger der Linken Avancen macht, schießt sich das parteinahe Wirtschaftsforum der SPD auf Kanzlerin Angela Merkel ein. Besonders ärgert die im Forum zusammengeschlossenen Manager und Unternehmer offenbar eine Aussage zur Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Am Dienstag hatte Merkel beim Wirtschaftsrat der CDU vor einer Dramatisierung der Niedrigzinsen gewarnt. Das Zinsniveau müsse auch ins Verhältnis zur Preissteigerung gesetzt werden, sagte Merkel. Angesichts der sehr, sehr geringen Inflation sei die Situation "nicht so dramatisch, wie es auf den ersten Blick" aussehe.
SPD-Mann Harald Christ, Schatzmeister des Wirtschaftsforums, bringt das in Rage. "Die Aussage von Angela Merkel ist grotesk", sagte Christ SPIEGEL ONLINE am Rande einer Veranstaltung des Wirtschaftsforums. "Die Bundeskanzlerin hat offensichtlich keine Vorstellung davon, wie sich die Niedrigzinsen auch inflationsbereinigt über Jahre und Jahrzehnte für einen Durchschnittsverdiener auswirken."
Es reiche ein einfacher Taschenrechner, um sich die dramatischen Folgen für Betriebsrenten, Spareinlagen und Lebensversicherungen vor Augen zu führen", sagte Christ. "Was wir erleben, ist eine kalte Enteignung der deutschen Sparer zugunsten des Staats. Und Frau Merkel verharmlost das auch noch."
Was bleibt für den Sparer übrig?
Die Diskussion ist nicht nur politisch interessant, sondern auch wirtschaftlich. Es geht dabei um die Frage, wie viel für die Sparer in Deutschland bei den anhaltenden Niedrigzinsen noch übrig bleibt. Zwar ist der nominale Zins, den sie für ihr Fest- oder Tagesgeldkonto bekommen derzeit so niedrig wie nie. Wer 0,2 Prozent Rendite pro Jahr erzielt, kann sich schon glücklich schätzen.
Allerdings steigen auch die Verbraucherpreise so langsam wie selten zuvor. Im Mai lag die Inflationsrate in Deutschland bei gerade mal 0,1 Prozent. Wer 0,2 Prozent Zinsen bekommt, liegt also rechnerisch gesehen noch leicht im Plus.
Das war nicht immer so. Laut einer Analyse der Bundesbank lag die reale Rendite bei Sparanlagen von Mitte der Siebziger- bis Mitte der Achtzigerjahre fast ständig im negativen Bereich. Darauf hob auch Merkel ab, als sie sagte, zu Zeiten von Helmut Schmidt habe ein "Zinsniveau von drei oder vier Prozent auch nicht richtig geholfen", wenn die Inflation gleichzeitig bei sechs Prozent oder mehr lag.
SPD-Mann Christ will das nicht gelten lassen. "Wenn die Bundeskanzlerin die heutige Situation mit den Siebzigerjahren vergleiche, habe sie "das Problem offensichtlich nicht verstanden", sagte der Finanzfachmann, der im Juli vom Chefsessel der Postbank Finanzberatung zum Versicherungskonzern Ergo wechselt. "Die Umlaufrenditen von Anleihen lagen damals über der Inflationsrate."
stk