Tarifstreit im öffentlichen Dienst Die Hoffnung heißt Horst
Nach den Warnstreiks im öffentlichen Dienst verhandeln Arbeitgeber und Gewerkschaften wieder - zum ersten Mal mit CSU-Innenminister Seehofer. Eine Einigung ist erstmals in greifbare Nähe gerückt.
Geschlossene Kitas, lahmgelegte Bahnen und Busse, Flugausfälle: In dieser Woche haben die Warnstreiks schon einmal angedeutet, wie unangenehm ein harter Arbeitskampf im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen für die Bürger werden kann. Ob es dazu kommt, entscheidet sich von diesem Sonntagnachmittag an in Potsdam.
Dort treffen sich Arbeitgeber und Gewerkschaften zur dritten Verhandlungsrunde für die knapp 2,3 Millionen Beschäftigten, die vorerst bis zum Montag angesetzt ist. Vorsichtshalber haben sich die Beteiligten auch bis Dienstag oder gar Mittwoch Zeit gegeben. Was beide Seiten vor den Verhandlungen von sich hören ließen, deutet eher auf eine Einigung als auf ein Scheitern hin.
So wies der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, zwar darauf hin, wie weit die Positionen auseinander liegen. "Aber bei den Signalen, die ich nun empfange, sollte es gelingen können, in der dritten Verhandlungsrunde zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen", sagte Bsirske dem "Handelsblatt".
Und auch ein Neuling bei Tarifrunden bekundete vorab Kompromissbereitschaft: "Wir werden die Verhandlungen so weiterführen, dass wir zügig zu sinnvollen Ergebnissen kommen", sagte Horst Seehofer, als CSU-Innenminister ist er der Verhandlungsführer des Bundes. Es sei "selbstverständlich, dass wir die Arbeit unserer Beschäftigten entsprechend würdigen, auch dadurch, dass sie an der guten wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands teilhaben", setzte Seehofer die Charme-Offensive fort - um dann doch einzuschränken: Klar sei auch, dass die Gewerkschaftsforderung zu hoch sei.
Anders als etwa beim jüngsten Tarifstreit in der Metallbranche geht es im öffentlichen Dienst nicht um einen umstrittenen und schwierigen Komplex wie das Arbeitszeitsystem. Vielmehr handelt es sich weitgehend um eine gewöhnliche Gehaltsrunde: Gemeinsam mit dem Beamtenbund dbb fordert Ver.di sechs Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, mindestens aber 200 Euro pro Monat. Auszubildende sollen 100 Euro mehr im Monat bekommen - sowie eine Garantie zur Übernahme nach ihrem Abschluss.
In den ersten beiden Runden hatten die Arbeitgeber das rundweg abgelehnt, ohne selbst ein Angebot vorzulegen. Vor allem die Kommunen verwiesen darauf, dass die Finanzlage in einigen Städten weit weniger gut ist als im Bund. "Wir haben nach wie vor eine massive Verschuldung, 141 Milliarden", sagte Thomas Böhle, der als Chef des kommunalen Arbeitgeberverbands VKA die Verhandlungen führt.
Böhle zeigte sich kurz vor den Verhandlungen in Potsdam zuversichtlich. Er muss aber auf die Erwartungen etwa des Landkreistags Rücksicht nehmen. Deren Präsident Reinhard Sager stört sich vor allem an den 200 Euro Mindesterhöhung. Das sei "jedenfalls aus kommunaler Sicht nicht erfüllbar" und werde in den unteren Tarifgruppen "zu Lohnsteigerungen führen, die mit der realen Preisentwicklung nichts mehr zu tun hätten".
Tatsächlich könnte der feste Sockelbetrag der schwierigste Teil der Verhandlungen werden. An der prozentualen Erhöhung sollte es nicht scheitern, zumal Ver.di-Chef Bsirske die Sechs-Prozent-Forderung bereits relativiert hat: Auf jeden Fall soll es mehr sein als vor zwei Jahren, sagte er. Damals vereinbarten die Tarifpartner jeweils für ein Jahr Steigerungen von 2,4 und 2,35 Prozent. Dieses Mal müsste es jahresbezogen mehr als eine zwei vor dem Komma geben, sagte Bsirske.
Außer Seehofer, Bsirske und Böhle ist der Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach der vierte entscheidende Mann bei den Verhandlungen. Silberbach forderte an diesem Sonntag, die Arbeitgeber müssten endlich selbst ein Angebot vorlegen - und machte dann deutlich, auf wen er besondere Hoffnung setzt: "Horst Seehofer kann den Knoten durchschlagen."
Unmittelbar vor den Verhandlungen trat der Hoffnungsträger dann vor die Mikrofone. Ob die Arbeitgeber denn diesmal ein Angebot vorlegen würden?
"Es wird eines geben", antwortete Seehofer.
mit Material von dpa und Reuters