Vergünstigungen für Apple und Co. Brüssel verstärkt Jagd auf Steuerflüchtlinge
Konzerne wie Apple haben in Europa Steuerschlupflöcher genutzt. Jetzt prüft die EU-Kommission. Der Fall zeigt: Der Druck auf die Firmen und ihre fantasievollen Sparkonstrukte wächst.
Die Geheimhaltung war ähnlich ausgeprägt wie vor der Präsentation eines neuen iPhone-Modells. Gerüchte, wonach die Europäische Kommission mögliche Steuersparmodelle von Konzerngiganten wie Apple
in Irland genauer prüfen wolle, leugneten die Brüsseler Beamten tapfer. Um 12 Uhr am Mittwoch werde EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia lediglich vor die Presse treten, um über Staatsbeihilfen zu reden, hieß es zuletzt.
Doch dann ging es tatsächlich um den Kampf gegen das vielleicht größte Steuerschlupfloch Europas. Die EU-Kommission kündigte eine umfassende Untersuchung an, ob Konzerne wie Apple, aber auch Starbucks
oder Fiat
in mehreren EU-Staaten wie den Niederlanden, Irland und Luxemburg beträchtliche Steuervergünstigungen erhalten hätten - und so vom Staat rechtswidrig unterstützt worden seien.
"Nach den EU-Beihilfevorschriften dürfen die nationalen Behörden keine Maßnahmen ergreifen, die dazu führen würden, dass bestimmte Unternehmen weniger Steuern zahlen als bei einer fairen und nichtdiskriminierenden Anwendung der jeweiligen Steuervorschriften", sagte Almunia. Der Steuerbeitrag multinationaler Konzerne sei angesichts der angespannten Lage öffentlicher Kassen derzeit besonders wichtig. "Diese aggressive Steuerplanung höhlt die Besteuerungsgrundlagen der Mitgliedstaaten aus, die sich finanziell ohnehin in einer schwierigen Lage befinden", so die Kommission.
Vorkämpfer für Steuergerechtigkeit
Im Blick hatten die Brüsseler Beamten derlei Praktiken bereits länger, schon im Frühjahr gelobte der Spanier Almunia, "dieser Sache auf den Grund zu gehen". Nun soll umfassend geprüft werden, auch wenn bislang statt Beweisen nur Anhaltspunkte existieren.
Und da gibt es einiges zu tun. Allein Apple hat ein Konstrukt geschaffen, das der US-Senator Carl Levin den "heiligen Gral der Steuervermeidung" nannte. Seinen Bilanzen zufolge zahlte der in Kalifornien ansässige Elektronikkonzern in den vergangenen drei Jahren auf im Ausland erzielte Gewinne von insgesamt 74 Milliarden Dollar einen lächerlich niedrigen Steuersatz von zwei Prozent. Möglich ist dies, weil einige Apple-Tochtergesellschaften in Irland weder dort noch in den USA steuerpflichtig sind. Sie sind zwar in Irland registriert. Da aber der Apple-Verwaltungsrat in den USA tagt, entsteht in Irland Experten zufolge keine Steuerpflicht.
Sollte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass die Firmen unlautere Beihilfen erhalten haben, müssten sie diese zurückzahlen. Allerdings hat Brüssel in vergleichbaren Fällen meist nicht auf den Ausgleich bestanden - schon weil den Unternehmen schwer nachzuweisen ist, dass sie davon ausgehen mussten, illegale Beihilfen zu erhalten.
Die scheidende Kommission präsentiert sich damit nicht nur als Vorkämpfer für die Steuergerechtigkeit, sondern beteiligt sich auch am weltweit immer härter werdenden Kampf gegen Steueroasen. Die Amerikaner sind dabei, etwa in ihren Verhandlungen mit der Schweiz, aggressiv vorgeprescht.
Auch Brüssel hat die Steuersituation von Irland bis Gibraltar genauer geprüft. Erst im März stellte die Kommission Luxemburg ein Ultimatum, um mehr Informationen über die Steuergesetze des Landes zu erhalten. Und es ist den EU-Beamten nicht entgangen, dass laut einer neuen Studie beinahe die Hälfte der größten US-Konzerne Tochtergesellschaften in den Niederlanden unterhalten, wohin sie viel Kapital schicken.
Politisch pikant
Jedoch bleibt es dabei, dass Steuerrecht innerhalb der EU weiter in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt. Und die zeigen sich nicht unbedingt einsichtig: Irlands Wirtschaftsminister etwa wies wütend den Vorwurf zurück, sein Land sei eine Steueroase.
Bereits im Oktober 2013 hatte die irische Regierung eingelenkt und eines der Schlupflöcher geschlossen, das etwa Apple genutzt hatte. So sollen "staatenlose" Firmen nicht mehr geduldet werden - sie müssen künftig entweder in einem anderen Staat steuerpflichtig sein oder ab 2015 die volle irische Körperschaftsteuer entrichten. Auch Italien und Großbritannien prüfen bereits Steuerpraktiken von Apple, Google und Amazon.
Pikant ist die Auswahl der Länder, die gerade in den Fokus der Kommission rücken, auch vor dem Hintergrund der Debatten über das künftige EU-Spitzenpersonal. Der irische Premier Enda Kenny wird als Kompromisskandidat für den Posten an der Spitze der Europäischen Kommission gehandelt. Und die Untersuchung der Praktiken in Luxemburg erinnert daran, dass der winzigen Finanzoase ein einzelner Mann fast 18 Jahre als Premier vorstand: Jean-Claude Juncker, der nun als EVP-Spitzenkandidat Präsident der Europäischen Kommission werden möchte.
Mit Material von Reuters