Entscheidung über Stromtrassen Gabriel setzt Seehofer Ultimatum
Sigmar Gabriel erhöht den Druck auf CSU-Chef Horst Seehofer: Bayern müsse sich schnell für den Neubau von Stromtrassen entscheiden, sagt der SPD-Wirtschaftsminister. Sonst drohten dem Süden spürbar höhere Preise.
Berlin - Der Streit in der Großen Koalition über den Neubau von Stromtrassen droht zu eskalieren: SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat seinem CSU-Pendant Horst Seehofer per Zeitungsinterview ein Ultimatum gestellt. "Bayern muss sich im Januar endgültig für die beiden geplanten Stromtrassen nach Süden entscheiden", sagte der Vizekanzler der "Bild am Sonntag" ("BamS").
Bayerns Ministerpräsident Seehofer stellt die Notwendigkeit neuer Höchstspannungsleitungen in sein Bundesland inzwischen hingegen generell in Frage. Konkret geht es um die SuedLink-Trasse, die von Wilster bei Hamburg bis ins bayerische Grafenrheinfeld führen soll sowie die Südost-Trasse von Sachsen-Anhalt nach Nordbayern. Angesichts massiver Proteste betroffener Anwohner fordert Seehofer neue Verhandlungen mit den Beteiligten.
Statt Strom aus dem Norden und Osten über die neuen Trassen nach Bayern zu leiten, könnte das Bundesland auch durch Gaskraftwerke versorgt werden, argumentiert der Bayer. In einem SPIEGEL-Interview im Oktober sagte er, die Entscheidung eile nicht: "Es geht um einen Masterplan für das kommende Jahrzehnt. Da ist noch ausreichend Zeit, um Klarheit zu schaffen, welche Trassen wir überhaupt brauchen." Sigmar Gabriel habe übrigens großes Verständnis dafür gezeigt, dass Bayerns Regierung die Trassen noch einmal mit der Bevölkerung diskutieren wolle.
"Dann wird es bitter für die bayerische Wirtschaft"
Von einem solchen Verständnis lässt der Wirtschaftsminister nun aber nichts mehr erkennen. Unverhohlen droht Gabriel im Interview mit spürbar höheren Strompreisen als Konsequenz eines Neins Bayerns zu den beiden neuen Trassen: "Strom in Bayern bleibt dann knapp und wird mit dem Abschalten der Atomkraftwerke in den nächsten Jahren noch knapper. Und alles was knapp ist, wird teuer."
Hintergrund der Drohung ist offenbar eine mögliche Intervention der EU-Kommission. Denn derzeit gilt für ganz Deutschland eine einheitliche Preiszone für Strom. In einer solchen Preiszone werden höhere Kosten für die Versorgungssicherheit einzelner Regionen von allen Verbrauchern getragen.
Sollte Bayern sich jedoch gegen neue Stromleitungen entscheiden, würde die Wettbewerbsbehörde einschreiten, warnt Gabriel im Interview: "Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass dann irgendwann die EU die bislang einheitliche Preiszone in Deutschland aufteilen wird: in eine preiswerte im Norden und eine teurere im Süden."
Zudem würden auch die übrigen Verbraucher in Deutschland nicht akzeptieren, wegen des bayerischen Sonderwegs mehr für Strom zahlen zu müssen. Gabriels Resümee: "Dann wird es bitter für die bayerische Wirtschaft." Bereits im November hatte der Wirtschaftsminister über "irre Zustände" geschimpft, weil in Bayern mangels Leitungen nach Norddeutschland statt sauberer Windenergie Strom aus veralteten österreichischen Ölkraftwerken gekauft werden müsse.
Die EU-Kommission spielt tatsächlich eine Aufteilung in zwei Preiszonen durch. Im Oktober berichtete der SPIEGEL über eine Studie norwegischer Strommarktexperten für die Behörde. Demnach würde der Strom im Süden um bis zu zehn Prozent teurer als im Norden Deutschlands.
fdi