S.P.O.N. - Die Spur des Geldes Ende der Euro-Allianz
Der Euro als Bindeglied extrem unterschiedlicher politischer Ausrichtungen - das war einmal. Mit Oskar Lafontaine oder dem britischen Ex-Finanzminister Lawson wenden sich einstmals heiße Befürworter von der gemeinsamen Idee ab. Drastischer kann die Symbolik des drohenden Bruchs kaum ausfallen.
Es gibt Momente, die sind für eine Entwicklung kritisch. Und dann gibt es solche von eher symbolischer Bedeutung. Sie präzisieren einen unausgesprochenen Gedanken oder ein Bauchgefühl. Zur letzteren Gruppe gehören die fast simultanen Äußerungen zweier ehemaliger Finanzminister - der eine aus Deutschland, der andere aus Großbritannien. Der Deutsche sagte, man müssen den Euro abschaffen. Der Brite will aus der Europäischen Union austreten.
Ich will Oskar Lafontaine nicht als einen Kronzeugen für irgendetwas anführen. Er ist mittlerweile nicht nur ein Ex-Finanzminister, sondern bald auch ein ehemaliger Politiker. Politisch wichtig ist er schon lange nicht mehr. Aber interessant finde ich schon die Gründe, die er anführt. Es ist nicht so, dass ich sie teile. Das Gegenteil ist der Fall. Interessant ist, mit welcher Klarheit Lafontaine das Missverständnis der Linken über den Euro zum Ausdruck bringt. Lafontaine sagte, er hätte den Euro damals unterstützt, weil er in ihm eine Möglichkeit sah, ein Gegenwicht zum US-Dollar aufzubauen - und somit ein Gegenwicht zur USA.
Ich erinnere mich an Gespräche mit ihm zu dieser Zeit, und es war in der Tat so. Seine Unterstützung für den Euro basierte weniger aus einer ökonomischen Analyse. Er teilte auch nicht Helmut Kohls emotionalen europäischen Idealismus. Es war ein vorwiegend machtpolitisches Kalkül - gegenüber den USA, aber auch gegenüber der Bundesbank, damals der mächtigsten wirtschaftspolitischen Institution in Europa. Lafontaine hoffte mit der Einführung einer neuen Währung einen Strukturbruch in der nationalen und internationalen Wirtschaftspolitik zu erreichen.
Dieser Bruch fand nie statt. Die Europäische Zentralbank verstand sich als die Fortsetzung der Bundesbank mit anderen Mitteln. Die Regierungen jedenfalls priorisierten den Euro als Weltreservewährung nicht, schon gar nicht die sozialdemokratische seines Widersachers Gerhard Schröder. Der Euro gewann zwar international an Bedeutung, kam aber an den Dollar nie heran. Und dann kam die Krise.
Interessant finde ich ebenfalls, dass Sahra Wagenknecht von den Linken jetzt ankündigt, Berührungspunkte mit der Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland auszukundschaften. Man sieht ganz deutlich, dass die Unterstützung für den Euro nicht nur rechts, sondern auch mittlerweile links bröckelt.
Wer glaubt, dass sich das Thema mit Lafontaines Ausscheiden aus der Bundespolitik erübrigt, irrt. Die Debatte geht gerade erst los.
Lawson liefert konstruktive Argumente für einen EU-Austritt
In Großbritannien schrieb der ehemalige Schatzkanzler Nigel Lawson in diesen Tagen einen Artikel in der "Times". Darin argumentierte er, Großbritannien solle die EU verlassen. Er argumentierte dabei ökonomisch. Die Briten würden besser dastehen, so behauptete er, wenn sie ihre Wirtschaft nach liberalen Prinzipien selbst organisieren würden, als die von Brüssel bestimmten Regeln des Binnenmarktes zu übernehmen.
Es ist nicht leicht, eine solche These zu verifizieren oder zu falsifizieren, weil man hier alle möglichen Annahmen treffen muss - insbesondere über die Handelspolitik oder Marktreaktionen nach einem Austritt. Ich sehe die wirtschaftlichen Folgen eines Austritts eher neutral als positiv.
Es gibt trotzdem zwei Gründe, warum ich Lawsons Äußerungen für wichtig halte.
- Der erste davon ist, dass Lawson den Europa-Gegnern in seinem Land ein konstruktives Argument für einen EU-Austritt geliefert hat. Das ist in der Tat neu. Bislang basierte die Kampagne für eine Ende der EU-Mitgliedschaft auf einem lauen Gefühl von Unbehagen in der Magengegend, verbunden mit einem gehörigen Stück von Feindseligkeit gegenüber Deutschen, Franzosen und anderen Kontinentaleuropäern.
- Der zweite Grund, warum Lawsons Äußerungen von Bedeutung sind, ist seine eigene Vergangenheit. Er war Finanzminister unter der jüngst verstorbenen Margaret Thatcher. Er trat im Jahre 1989 aus Protest gegen Thatchers antieuropäischen Kurs zurück. Er wollte die Anbindung des Pfunds an den Europäischen Währungsmechanismus, beziehungsweise an die Mark. Lawson ist nicht einer dieser britischen Europa-Hasser. Er hoffte, mit der Anbindung an die Mark eine makroökonomische Stabilisierung zu erreichen. Ironischerweise kam die Anbindung an die Mark erst nach seinem Abtritt. Die deutsche Wiedervereinigung erforderte hierzulande höhere Zinsen, was das an die Mark angekoppelte Großbritannien wiederum in eine tiefe und lange Rezession stürzte. Im Jahr 1992 gaben die Briten die Bindung wieder auf.
In den achtziger und neunziger Jahren standen Lawson und Lafontaine zwar politisch in diametral gegensätzlichen Ecken, aber sie waren beide für eine europäische Wirtschafts- und Währungsintegration. Sie hatten ihre eigenen unterschiedlichen politischen Gründe, warum sie den Euro unterstützen. Sie waren somit Teil einer breiten Koalition, die den Euro überhaupt erst ermöglichte.
Und damit sind wir wieder bei der Symbolik. Lawson und Lafontaine symbolisieren, dass diese große Koalition an ihren Rändern zerbricht.