Von Bergbau bis Mittelstand Widerspruch Westfalen
Die Unterschiede innerhalb Westfalens sind sehr groß, zeigt eine Studie. Das Ruhrgebiet leidet unter hoher Arbeitslosigkeit, Familienbetriebe auf dem Land unter Fachkräftemangel.
Westfalen ist heterogen wie kaum eine andere Region in Deutschland: Münster mit mehr als 60.000 Studierenden, Ostwestfalen mit seinem international erfolgreichen Mittelstand und Teile des Ruhrgebiets, die nach einer Zukunft nach der Kohle und dem Stahl suchen. Die einzelnen Regionen haben wenig gemeinsam, was ihre Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur angeht. Eine Studie, die das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung mit Förderung durch die Initiative Westfalen und den Landschaftsverband Westfalen-Lippe erstellt hat, zeigt: Wirtschafts-geografische Faustregeln, die für den Rest der Republik gelten, stimmen hier oft nicht.
Mehr als acht Millionen Menschen leben in der nordöstlichen Hälfte des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Allein in den zehn größten Städten Westfalens - angefangen mit Dortmund, Bochum und Bielefeld - leben zusammen mehr als 2,5 Millionen Einwohner. Während im Rest der Republik jedoch die Ballungszentren wachsen und ländliche Gebiete ihre Bewohner verlieren, lässt sich in Westfalen eher das Gegenteil beobachten.
Im Ruhrgebiet, dem größten Ballungsraum Deutschlands, kämpfen Kreise wie Recklinghausen, Bottrop und Gelsenkirchen mit einem Einwohnerrückgang, Altersdurchschnitten von über 45 Jahren und einer niedrigen Wirtschaftsleistung. Es fehlt an Jobs, die das Ableben der Kohle- und Stahlindustrie ausgleichen; auch das dichte Netz an Bildungs- und Kultureinrichtungen konnte den Strukturwandel bisher nicht kompensieren.
In den meisten ländlichen Kreisen Westfalens hingegen liegen laut der Studie die Arbeitslosenzahlen deutlich darunter, in Borken und Coesfeld etwa herrscht mit unter vier Prozent praktisch Vollbeschäftigung. Mittelständische Industrieunternehmen binden hier Mitarbeiter, die das Durchschnittsalter senken und die Wirtschaftskraft der Regionen stärken.
Dem Mittelstand steht ein Umbruch bevor
Was Beschäftigung und Wirtschaftskraft angeht, stehen also die mittelständisch geprägten Landstriche im Schnitt deutlich besser da, als jene mit Bergbau-Vergangenheit - das könnte sich jedoch ändern. Denn während im Ruhrgebiet bereits drei von vier Beschäftigten im Dienstleistungssektor arbeiten und sich der Ballungsraum von der Schwerindustrie zur Dienstleistungsregion wandelt, steht dem westfälischen Mittelstand in den Regionen Münsterland, Ostwestfalen-Lippe und Südwestfalen ein Umbruch noch bevor.
Kaum andere Unternehmen sind so sehr von der Digitalisierung betroffen, wie industriell produzierende Familienbetriebe mit internationaler Konkurrenz. Um den digitalen Wandel zu meistern, benötigen die Mittelständler immer häufiger spezialisierte Fachkräfte aus der IT-Branche, die auf dem Land schwer zu finden sind.
Die Studie zeigt, wie sich die Wirtschaftskraft, die Arbeitslosigkeit, das Bevölkerungswachstum und die Altersstruktur in den einzelnen Kreisen unterscheiden - und wo die meisten Angestellten Gefahr laufen, ihren Job durch die Digitalisierung zu verlieren. Ein Überblick.
Bevölkerungswachstum
Heute leben etwa 17 Prozent mehr Menschen in Münster als noch im Jahr 2000. Auch die Kreise Paderborn und Gütersloh mit Firmen wie Miele und Mestemacher wuchsen in diesem Zeitraum um bis zu zehn Prozent.
Im westfälischen Ruhrgebiet hingegen blieb einzig in Dortmund die Bevölkerungszahl stabil. Die meisten Kreise dort verloren in der gleichen Zeit an Einwohnern, teilweise mehr als fünf Prozent.
Durchschnittsalter
In Westfalen ist die Altersverteilung weniger eindeutig, als in anderen Teilen Deutschlands, wo vor allem die Landbevölkerung gealtert ist und junge Menschen in größere Städte ziehen.
Die Bewohner der Ballungsgebiete entlang der Ruhr sind im Schnitt älter, als die vieler ländlicher Gebiete. Den jüngsten Altersschnitt in Westfalen verbuchen Münster und Paderborn mit ihren Universitäten.
Wirtschaftskraft
Das Ende des Bergbaus wirkt sich bis heute auf die Wirtschaftskraft im Ruhrgebiet aus. In Bottrop erwirtschaftet ein Einwohner durchschnittlich etwas mehr als 20.000 Euro pro Jahr. Das ist deutschlandweit der niedrigste Wert unter allen kreisfreien Städten. Münster befindet sich mit einem Bruttoinlandsprodukt von über 54.000 Euro pro Jahr und Einwohner am anderen Ende der Skala.
Arbeitslosigkeit
Im Jahr 2016 lag die Arbeitslosigkeit in Gelsenkirchen bei fast 15 Prozent - die schlechteste Quote aller deutschen Kreise und kreisfreien Städte. Auch andere Teile des Ruhrgebiets erreichten Quoten von über zehn Prozent. In den meisten Kreisen Westfalens liegt der Durchschnitt hingegen zwischen vier und sechs Prozent.
Digitalisierung
Insbesondere in Südwestfalen dürfte die Digitalisierung den Arbeitsmarkt stark verändern. Laut einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) sind hier landesweit die meisten Jobs gefährdet - über 22 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten wären betroffen, so die Studie des Berlin-Instituts.