Afghanischer Bankskandal Betrüger flogen Millionen in Servierwagen aus
Jahrelang haben sich Afghanistans Mächtige an der Kabul-Bank bereichert. Ein Bericht offenbart nun, wie dreist das ablief: Gut 900 Millionen geliehener Dollar schafften die Gauner ins Ausland - zum Teil in Servierwagen von Flugzeugen.
Wenn es ein Symbol gibt dafür, wie die Mächtigen in Afghanistan sich bereichern auf Kosten internationaler Geldgeber und der einfachen Menschen des Landes, dann ist es die Kabul-Bank: Jahrelang wahrte sie die Fassade, ein funktionierendes Geldhaus zu sein. Zwar gab es immer wieder Probleme, weil Geld fehlte und Kunden nicht mehr an ihre Ersparnisse kamen. Doch ebenso regelmäßig floss wieder frisches Geld und es wurde zugesichert, alles sei nicht so schlimm.
Eine unabhängige, mit Afghanen und internationalen Experten besetzte Untersuchungskommission ging den Vorwürfen der Veruntreuung nach und veröffentlichte am Mittwoch ihren Bericht. Dabei kam Haarsträubendes ans Tageslicht: Die Regierung von Afghanistan habe immer wieder versucht, die Strafverfolgung von Verantwortlichen und das Aufspüren fehlender Geldbeträge zu behindern, heißt es in dem 87 Seiten langen Report.
Demnach haben Anteilseigner und Mitarbeiter der Kabul-Bank, darunter Verwandte von Afghanistans Präsident Hamid Karzai, im Laufe der Jahre rund 935 Millionen Dollar veruntreut. Das entspricht etwa fünf Prozent der afghanischen Wirtschaftsleistung. Das Geld wurde zum Teil in Servierwagen von Flugzeugen der afghanischen Fluggesellschaft Pamir Airways in mehr als zwei Dutzend Länder gebracht. Nach einem "Schneeballsystem", wie es der Internationale Währungsfonds (IWF) nannte, schöpften die Eigner und Mitarbeiter von Afghanistans größter Privatbank immer wieder Geld von Konten ihrer Kunden ab. Das Geld wurde unter anderem in Villen in Dubai investiert.
Piloten von Pamir Airways erhielten dem Bericht zufolge unter dem Stichwort "Piloten für Cash-Lieferungen" zwischen März 2008 und November 2010 Zahlungen in Höhe von 320.000 Dollar. Die Fluglinie wurde ebenfalls von der Kabul-Bank finanziert, ihr Betrieb ist mittlerweile eingestellt.
Bericht auf Drängen des IWF
Frisches Geld stand immer wieder zur Verfügung, weil der Bank ein lukrativer Deal gelungen war: Der Staat zahlte die Gehälter für mehrere hunderttausend Staatsbedienstete, darunter Soldaten und Polizisten, auf Konten der Kabul-Bank ein. Dem Kommissionsbericht zufolge war der Betrug äußerst ausgeklügelt: So soll es zwei Buchführungen gegeben haben, eine für die mögliche Prüfer, eine zweite für die Betrüger, damit sie einen Überblick darüber behielten, wie sie sich die Millionen in die Taschen stopften.
Um Geldentnahmen zu kaschieren, wurden diese als Kredite getarnt, aber nie zurückgezahlt. Zahlreiche Dokumente seien gefälscht worden, stellen die Prüfer jetzt fest. So versah die Kreditabteilung Papiere mit Stempeln von 114 in Wahrheit nicht existenten Firmen, um den Dokumenten den Anschein von Echtheit zu geben. Einige der mehr als hundert Bankfilialen seien zudem ohne Genehmigung betrieben worden.
Der Bericht war von der afghanischen Zentralbank auf Drängen des IWF in Auftrag gegeben worden. Dieser hatte die Regierung von Afghanistan angemahnt, den Skandal um die Kabul-Bank aufzuklären. Das Kreditinstitut war 2010 beinahe kollabiert, als öffentlich wurde, dass einflussreiche Persönlichkeiten die Bank als Selbstbedienungsladen nutzten.
Bankeigner unter den größten Profiteuren
Damals lösten Tausende Sparer aus Angst um ihr Erspartes ihre Konten auf. Die USA hatten zuvor Druck auf Karzai ausgeübt, führende Manager der Bank wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten und dubioser Immobiliengeschäfte zu entlassen. Nur ein Eingreifen der afghanischen Zentralbank konnte den Zusammenbruch der Kabul-Bank verhindern. Sie wurde daraufhin in Neue Kabul-Bank umbenannt.
In dem Bericht heißt es, 92 Prozent des veruntreuten Geldes - 861 Millionen Dollar - sei an nur zwölf Individuen und sieben Firmen geflossen. Bisher habe man aber nur 135 Millionen Dollar sicherstellen können. Profiteure des Betrugs sind unter anderem Mahmoud Karzai, Bruder von Präsident Karzai, sowie Haseen Fahim, Bruder von Afghanistans Vizepräsident Mohammed Fahim. Die beiden gehörten zu den Eignern der Bank. Sie selbst behaupten, sie hätten mit dem Betrug nichts zu tun. Der Präsidentenpalast erklärte auf Anfrage, der Fall sei noch "nicht ausreichend aufgeklärt". Es sei "unklar, wohin das fehlende Geld geflossen" sei.
Die größten Nutznießer waren früheren Untersuchungen zufolge aber der Haupteigner und Gründer der Bank, Sherkhan Farnood, ein Gewinner von Poker-Turnieren, sowie sein Bodyguard Khalil Frusi, der später als Vorstandschef der Bank eingesetzt wurde. Gegen die knapp zwei Dutzend Verantwortlichen des Bankenskandals hat vor zwei Wochen der Prozess in Kabul begonnen.
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