US-Sammelklage gegen BMW Mehr als bloß Kratzer im Lack
Nach VW und Daimler steht jetzt auch BMW in den USA wegen des Abgasskandals vor Gericht. Sollten die Kläger Recht bekommen, könnte das den Münchner Dax-Konzern Hunderte Millionen kosten - und das gute Image.
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Den Zeitungen und Fernsehnachrichten in den USA war die Nachricht nur ein paar Sätze wert. Es geht um eine neue Sammelklage, die die auf solche Verfahren spezialisierte,Anwaltsfirma Hagens Berman gegen den deutschen Autobauer BMW anstrengen will. Sie wollen den Besitzern von SUVs der Reihe X5 und 3er zu ihrem Recht verhelfen, die sich angeblich von den Versprechungen im Katalog zum Kauf haben verführen lassen.
Der Schadstoffausstoß der vollmundig als umweltfreundlich beworbenen Autos sei viel höher als angegeben. Die Emissionen von gesundheitsschädlichen Stickoxiden hätten bis um das 27-fache über den geltenden Grenzwerten gelegen. "Niemand hätte diese Autos gekauft, wenn BMW die Wahrheit erzählt hätte", sagt Steven Berman, geschäftsführender Gesellschafter der Anwaltsfirma.
Es gibt bereits eine ganze Reihe solcher Klagen. Neben Volkswagen stehen inzwischen auch Daimler, Fiat Chrysler, Ford und General Motors vor Gericht. damit sind nun sechs Autobauer betroffen
Sammelklage nur der Anfang
BMW dürfte das Verfahren nicht zu leicht nehmen. Denn es geht um viel Geld. Enttäuschte X5- und 3er-Besitzer hätten - bei Erfolg der Klage - Anspruch auf Schmerzensgeld und die Möglichkeit, BMW zum Rückkauf ihres Fahrzeugs zu zwingen, versprechen die Anwälte. Wie groß die Gruppe der Kläger ist, ist allerdings noch nicht klar, die Kanzlei will keine Zahlen nennen. Es kämen täglich neue hinzu, heißt es nur. Über eine konkrete Summe lasse sich deshalb nur spekulieren.
Mit dieser (privaten) Sammelklage ist es aber nicht getan. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, könnte auch von staatlicher Seite einiges auf den Münchener Dax-Konzern zukommen. Nimmt man den Vergleich zum Maßstab, den Volkswagen im Oktober 2016 mit Aufsichtsbehörden und Verbraucheranwälten ausgehandelt hat, kämen für BMW geschätzt 300 bis 400 Millionen Dollar zusammen.
Viel größer noch dürfte der Imageschaden sein, den BMW im Falle einer Verurteilung davontragen würde. Erste Kratzer sind bereits zu erkennen. Da wäre zum einen die fehlerhafte Abgassoftware, die der Konzern Ende Februar dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) angezeigt hatte, verbunden mit dem weltweiten Rückruf von 11.700 Autos.
Suche nach dem "rauchenden Colt"
In der vergangenen Woche - einen Tag vor der Vorstellung der Jahresbilanz - hatte die Staatsanwaltschaft München I deshalb mit etwa einhundert Beamten Büros in der Konzernzentrale und einigen Entwicklungsstandorten durchsucht. Auch der Fall des 3er-BMW, dem die Deutsche Umwelthilfe eine drastische Überschreitung der Abgasgrenzwerte attestiert, ist vielen noch im Gedächtnis.
Bislang hat sich allerdings in keinem der angesprochenen Fälle ein Beweis für die Vorwürfe gefunden. Die Staatsanwaltschaft betont, es gehe lediglich um einen Anfangsverdacht, das KBA hat dem inkriminierten BMW nach einer Überprüfung ausdrücklich bescheinigt, im Einklang mit den Zulassungsvorschriften zu stehen. Und doch wächst die Gefahr, dass sich der Eindruck verfestigt, dass schon was dran sein muss, wenn ein Verdacht so häufig formuliert wird.
Zumal immer wieder Ungereimtheiten auftauchen, die den Argwohn der Ermittler wecken. Nach Informationen des SPIEGEL hat BMW zum Beispiel den Versuch unternommen, eine Limousine der 7er-Reihe noch einmal unter seine Fittiche zu bekommen, der von den Experten des KBA untersucht werden sollte. Im Bundesverkehrsministerium hegt man den Verdacht, dass der Wagen mit einer Softwareaktualisierung getrimmt und so eventuelle Manipulationen vertuscht werden sollten. BMW widerspricht dieser Darstellung allerdings vehement.
Jede Menge Ungereimtheiten
Wegen eines Modells dieser Baureihe ist auch in Bamberg ein Verfahren anhängig. Kläger ist Besitzer eines Unternehmens, das Katalysatoren herstellt. Er hatte bei eigenen Messungen extrem hohe Schadstoffmengen im Abgas festgestellt. BMW lieferte als Gegenbeweis ein Gutachten des TÜV Süd, das dem Wagen einwandfreie Werte bescheinigte.
Auch die Anwälte von Hagens Berman müssen die in ihrer jetzt veröffentlichten Klageschrift erhobenen Vorwürfe erst noch beweisen. Viel spricht dafür, dass sich das Verfahren ähnlich in die Länge ziehen wird, wie in den Fällen Daimler, Fiat Chrysler, Ford und General Motors. Was nicht zuletzt daran liegt, dass der Sachverhalt extrem komplex ist und Beweise schwierig zu führen sind.
Noch steht das Verfahren jedoch ganz am Anfang und es ist schwer zu beurteilen, wie viel Substanz in der Klage steckt. BMW hält sich erst einmal bedeckt. "Aber wir prüfen die Klage sehr gründlich, um zu verstehen, wie genau die Vorwürfe aussehen", heißt es in einer Stellungnahme.
Zusammengefasst: Bislang hat sich BMW erfolgreich gegen alle Vorwürfe gewehrt, die Abgasanlagen ihrer Autos manipuliert zu haben. Doch die Zahl der Indizien wächst - und nun müssen sich die Münchner noch gegen eine Sammelklage in den USA zur Wehr setzen. Das könnte im Ernstfall extrem teuer werden.