Agrarspekulationen "Die Deutsche Bank kam mit leeren Händen"
Verschärfen Agrarspekulationen den Hunger in der Welt? Auf einer Konferenz in einem Kloster wollte Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen mit seinen Kritikern offen darüber diskutieren. Doch die Eingeladenen zeigen sich bitter enttäuscht.
An einen Ort, der "für Annäherung, Erkenntnis und kritische Auseinandersetzung steht", hatte der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, an diesem Mittwoch geladen: Ins Dominikanerkloster in der Frankfurter Innenstadt. Thema der geschlossenen Veranstaltung: "Preisentwicklung bei Agrarrohstoffen - Wer ist wie in der Verantwortung?" Rund 40 Vertreter von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler, Kritiker und Unterstützer waren gekommen, um zu debattieren. Im Nachhinein zeigen sich die meisten bitter enttäuscht.
Der lauteste Kritiker, Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode, klagt: "Die Deutsche Bank kam mit leeren Händen." Weder habe sie entkräften können, "dass ihre Finanzprodukte zu Preissteigerungen von Lebensmitteln beitragen, noch hat sie endlich einen Schlussstrich unter die Geschäfte mit dem Hunger gezogen". Auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat zeigte sich enttäuscht: "Die Deutsche Bank hat auch auf der Konferenz nicht offengelegt, mit welchen Produkten sie auf welchen Märkten tätig ist. Für eine wirklich fruchtbare Diskussion wäre das wichtig gewesen", sagte Movassat SPIEGEL ONLINE. Die Bank selbst wollte sich zu der Konferenz nicht äußern.
Im Kern geht es bei der Debatte um die Frage, welche Auswirkung die Spekulation mit Agrarrohstoffen auf Lebensmittelpreise weltweit hat.
Vorwurf: Investoren mitschuldig am Hunger in der Welt
So setzen Banken Finanzprodukte auf, mit denen Anleger auf die Preisentwicklung von beispielsweise Mais oder Weizen wetten können. Diese Warentermingeschäfte dienen eigentlich der Absicherung von Bauern gegen schlechte Ernten oder fallende Preise. Kritiker glauben, dass Spekulanten mit viel Geld die Preise an den Märkten nach oben treiben - und damit Nahrungsmittel in Entwicklungsländern verteuern. Investoren seien auf diese Art mitschuldig am Hunger in der Welt. Beide Seiten haben Studien mit Ergebnissen nach ihrem Geschmack vorgelegt, auch auf der Konferenz wurde Teilnehmern zufolge die Debatte unter den Wissenschaftlern kontrovers weitergeführt.
Wer der Einladung Fitschens gefolgt war, musste sich zur Vertraulichkeit verpflichten: Es sollte einen offenen Austausch geben, allerdings unter der sogenannten Chatham House Rule. Das bedeutet: Die Teilnehmer dürfen nach der Veranstaltung zwar über die Inhalte sprechen, nicht aber offenlegen, wer was gesagt hat.
Argument überhaupt nicht verstanden
Überraschungen dürfte es aber nicht gegeben haben. Die Konferenz gliederte sich zum größten Teil in drei sogenannte Breakout-Sessions mit den Titeln "Fokus Finanzinvestoren/Warentermingeschäfte", "Fokus Welternährung/Entwicklungsländer" und "Fokus Politik/Regulierung". Dabei wurden, wenn man Teilnehmern glaubt, die alten Argumente ausgetauscht. "Ich habe den Eindruck, die Positionen haben sich nicht wirklich angenähert", sagte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann. Er habe sich "ein wenig mehr Konsequenzen" erhofft. Auch die Entwicklungsorganisationen Misereor und Oxfam sahen "keine Substanz" und zogen keine neuen Erkenntnisse aus der Debatte.
Es ist ein Wunsch, der alle Kritiker eint: dass die Deutsche Bank endlich das Vorsorgeprinzip anerkennt. Wenn nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass Spekulation keinen Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise hat, dann müsse die Bank darauf verzichten. Von der Konferenz wird berichtet, dass die Vertreter der Deutschen Bank dieses Argument überhaupt nicht verstanden haben.
Die einzige Hoffnung der Kritiker ist jetzt, dass sich das Geldinstitut an den Satz erinnert, den ihr Ex-Chef Josef Ackermann zum Ende seiner Amtszeit sagte: "Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen."