Goldener Windbeutel Wenn nur das Fett vom Huhn kommt
Hühnersuppe ohne Huhn, Gesundheitswasser mit unnötigen Vitaminen: Foodwatch hat die Produkte für den "Goldenen Windbeutel" nominiert, die den Preis für die irreführendste Werbung des Jahres verdient haben.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch setzt ihren Kampf gegen den Etikettenschwindel fort. Auch in diesem Jahr stellen die Experten wieder fünf Kandidaten zur Wahl, die die zweifelhafte Auszeichnung "Goldener Windbeutel" verdient haben - weil sie eine gesundheitsfördernde Wirkung vorgaukeln oder indirekt Ingredienzien versprechen, die sie in Wirklichkeit gar nicht enthalten.
Verbraucher können auf www.goldener-windbeutel.de abstimmen, welcher Lebensmittelhersteller den Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres erhalten soll. Die Abstimmung läuft bis Ende September.
Die Foodwatch-Leute vertreten den Grundsatz, dass jeder Verbraucher selbst entscheiden sollte, wie er sich ernähren will. Doch ohne ehrliche und klar verständliche Informationen ist das kaum möglich. Und die Lebensmittelindustrie nutzt nach wie vor die Lücken, die ihnen der Gesetzgeber bietet. "Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass irreführende Werbeaussagen und Etiketten bei Lebensmitteln weiterhin ganz legal sind und daher im Supermarkt eher die Regel als die Ausnahme", erklärte Lena Blanken, die die Kampagne leitet. "Die Bundesregierung hat dem Etikettenschwindel zwar seit Jahren offiziell den Kampf angesagt - bessere Gesetze gibt es bis heute jedoch nicht." Nutznießer seien die Konzerne, die sich weiterhin ihrer Marketingtricks bedienen können.
An die Grenzen des Erlaubten ist nach Meinung der Verbraucherschützer Coca-Cola mit seinem Vitaminwasser Glacéau gegangen. Der Limonadenhersteller hat das farbige Getränk mit einigen Aromastoffen und Vitaminen angereichert und mit einem Etikett versehen, das an echte Medizin aus der Apotheke erinnert. Im Einzelhandel kostet die 500-ml-Flasche durchschnittlich stolze 1,80 Euro - das verspricht eine enorme Gewinnmarge. Verbraucher sollten sich jedoch nicht zu viel an gesundheitsfördernder Wirkung versprechen. Alle Vitamine, die Glacéau enthält, sind in der normalen Nahrung ausreichend verfügbar.
Schaden wird auch niemand nehmen, der gelegentlich die Frühstückskekse von Mondelez zu sich nimmt. Ein genauer Blick aufs Kleingedruckte der Verpackung entlarvt das als Frühstücksersatz gepriesene Gebäck jedoch als Süßigkeit mit bis zu 28 Prozent Zucker. Daran sei im Prinzip nicht auszusetzen, sagen die Foodwatch-Leute, nur sollte man verlangen können, dass nicht der Anschein einer gesunden Ernährung erweckt wird. Die Firma selbst teilte mit, man informiere die Verbraucher über Eigenschaften, Nährwerte und Zutaten der Frühstückskekse "vollständig und ausführlich auf der Verpackung und im Internet".
Mit Nestlé ist diesmal erneut einer der großen Babynahrungshersteller unter den Kandidaten. Der Alete-Trunk werde mit Aussagen, wie "reich an Calcium und Vitamin D für gesundes Knochenwachstum" beworben, begründet Blanken die Auswahl. Dagegen warnten Kinderärzte und Wissenschaftler seit Jahren vor solchen Trinkmahlzeiten, weil sie zu Überfütterung und Karies bei Babys führen könnten. Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) bewertet die Trinkmahlzeiten sogar als unverantwortlich und gesundheitsgefährdend.
Der fünfte Kandidat, der Apfelsaft von Coop, fällt im Vergleich dazu mit einem eher harmlosen Etikettenschwindel auf. dort wird versprochen, die verwendeten Äpfel kämen vollständig aus der Region. Tatsächlich karrt der Abfüller die Früchte auch aus der Ferne heran. Saisonobst sei nicht ganzjährig verfügbar, räumte Coop gegenüber Foodwatch ein - und verweigerte danach jede nähere Auskunft. Grund genug für die Foodwatch-Experten, den Saft zur Abstimmung zu stellen.