HSH-Nordbank-Prozess Staatsanwalt fordert Bewährungsstrafe für Nonnenmacher
Tage der Entscheidung für "Dr. No": Die Staatsanwaltschaft macht Dirk Jens Nonnenmacher und seinen ehemaligen Vorstandskollegen von der HSH Nordbank schwere Vorwürfe. Am Ende fordern die Ankläger dennoch nur Bewährungsstrafen.
Hamburg - Dirk Jens Nonnenmacher hat sich die schwarzen Plastikkopfhörer über das inzwischen angegraute, aber für einen Banker immer noch ungewöhnlich lange Haar gestreift. Konzentriert und mit ungerührter Mine hört der einst wohl meistgehasste Banker der Republik dem Mann zu, der seine Verurteilung fordert. Ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe beantragt Staatsanwalt Karsten Wegerich für Nonnenmacher, auszusetzen zur Bewährung. Hinzu soll eine Geldbuße von 150.000 Euro kommen. Ist das nun eine harte Strafe für das, was Nonnenmacher und seine Vorstandskollegen getan haben sollen?
Wegerich und sein Kollege Maximilian Fink werfen Nonnenmacher und fünf weiteren ehemaligen Vorständen der Landesbank schwere Untreue vor. Die Manager seien Ende 2007 bei einem Geschäft namens Omega 55 wissentlich zu hohe Risiken eingegangen und hätten dabei ihre Pflichten grob verletzt. Die Staatsanwaltschaft taxiert den dadurch entstandenen Schaden auf 52,6 Millionen Euro.
Auch für die übrigen fünf Exbanker sehen die Ankläger Bewährungsstrafen vor: Die höchste liegt bei einem Jahr und zehn Monaten für den ehemaligen Kapitalmarktvorstand Jochen Friedrich, die niedrigste bei zehn Monaten. Die Anträge zeugten von Augenmaß, sagt Ankläger Wegerich.
Zugute kommt den Managern, dass sie sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht selbst bereichern wollten. Jeder der Angeklagten habe auch etwas Gutes für das Unternehmen tun wollen, meint Wegerich. Hätte man ahnen können, dass die ganze Sache so grandios danebengeht?
Die Tücken des Omega-Geschäfts
Das fragliche Omega-Geschäft zeigt, wie verzweifelt die HSH Nordbank in Zeiten der aufziehenden Finanzkrise damals um ihren Ruf am Kapitalmarkt kämpfte - und damit alles nur noch schlimmer machte.
Eigentlich sollte das Omega-Geschäft die Bilanz der Bank entlasten - zumindest optisch. Im Verhältnis zu den eingegangen Risiken hatte die HSH damals relativ wenig Eigenkapital. Ihr drohte eine Herabstufung durch die Rating-Agenturen, wenn sie ihre Risikokennziffern nicht verbesserte. Es musste also schnell eine Lösung her, um die Bilanz 2007 aufzuhübschen. Schließlich wollten die Eigentümer der HSH, die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, das Institut im darauffolgenden Jahr an die Börse bringen.
Also gingen die Vorstände kurz vor Weihnachten 2007 ein verhängnisvolles Doppelgeschäft mit der Pariser Großbank BNP Paribas ein - eingefädelt von der Londoner HSH-Niederlassung: Im ersten Teil übernahm die BNP die Ausfallrisiken eines zwei Milliarden Euro schweren Kreditpakets der HSH - dadurch sollte die Bilanz von diesen Risiken entlastet werden. Im Gegenzug verpflichtete sich die Landesbank aber Anfang 2008, andere Risiken der BNP über insgesamt 2,4 Milliarden Euro zu übernehmen - ein Geschäft, das sich später als sehr verlustreich erweisen sollte.
Die Risiken dieses zweiten Geschäfts haben die Manager ganz offensichtlich unterschätzt. Laut Staatsanwaltschaft wurde es in der Bank nur unzureichend geprüft. Sonst hätten die Manager bemerken müssen, dass die Entlastungswirkung des ersten Teils des Deals durch den zweiten Teil gleich wieder aufgehoben wurde. Es war also ein denkbar schlechtes Geschäft für die Bank.
Die Manager sollen wie "Frühstücksdirektoren" agiert haben
In ihrem Plädoyer zeichnen die Staatsanwälte das Bild sorglos agierender Finanzmanager, die ihre Pflichten gegenüber den Eigentümern der Bank verletzt haben. So hätten die Vorstände ihren "unternehmerischen Handlungsspielraum bewusst überschritten".
Die Kreditvorlage zu dem riskanten Omega-Geschäft habe erhebliche Mängel aufgewiesen, so die Staatsanwälte. Dies hätte die Vorstände zu Nachfragen in den Fachabteilungen veranlassen müssen. Stattdessen habe man die Vorlage aber ohne tiefere Prüfung "nach Frühstücksdirektoren-Art" einfach durchgewinkt.
"Sie haben im Blindflug den Vertrag genehmigt", sagt Ankläger Wegerich. Dabei seien auch die Vorstände von der Aussicht auf den geplanten Börsengang getrieben gewesen, denn als Manager eines börsennotierten Unternehmens hätten sie womöglich höhere Grundgehälter einstreichen können. Eine indirekte Bereicherungsabsicht gab es also womöglich schon.
Die Staatsanwälte werfen Nonnenmacher und Friedrich zudem Falschbilanzierung vor. Statt die zwischenzeitlichen Wertverluste aus dem Omega-Geschäft in der Bilanz einzurechnen, hatte die Bank die Papiere zum Anschaffungswert gebucht - also ohne Verlust. Nonnenmacher und Friedrich hätten die fehlerhafte Bilanzierung erkannt und trotzdem geduldet.
Das Gericht muss nun entscheiden, ob es dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft folgt. Dabei dürfte es vor allem um die Frage gehen, ob sich die offensichtlichen Fehler der Finanzmanager auch strafrechtlich erfassen lassen. Wie schwierig die Antwort fallen dürfte, hatten die Richter bereits zu Prozessbeginn im vergangenen Sommer angedeutet. "Die Strafkammer betritt Neuland", hatte der Vorsitzende Marc Tully damals gesagt.
Bevor die Richter ihr Urteil fällen, müssen sie aber noch die Verteidiger der sechs Angeklagten anhören. Nonnenmacher selbst hat sich in dem Verfahren bereits zweimal geäußert und die Vorwürfe dabei als "absurd" bezeichnet. Er zieht sich auf den Standpunkt zurück, weder an der Planung noch an der Umsetzung des Omega-Geschäfts beteiligt gewesen zu sein. Als damaliger Finanzvorstand habe er durch seine Unterschrift lediglich die Entscheidung seiner Vorstandskollegen zur Kenntnis genommen. Eine Darstellung, die die Staatsanwaltschaft nicht gelten lassen will: Sie sieht alle sechs Vorstände gemeinsam in der Verantwortung. Alle sechs bestreiten ihre Schuld.