Kaufhäuser in der Krise "Man hat das Gefühl: Da hängt der gleiche Anzug zwei Jahre an der gleichen Stelle"
Karstadt und Kaufhof verhandeln über eine Fusion, um im Wettbewerb mit Amazon oder Primark endlich bestehen zu können. Ex-Karstadt-Manager Gert Hessert erklärt, was das für Innenstädte und Mitarbeiter bedeutet.
Galeria Kaufhof und Karstadt, einst Flaggschiffe des deutschen Einzelhandels, stecken seit Jahren in der Krise. Inzwischen verhandeln die beiden angeschlagenen Konzerne über eine Fusion. Zuletzt haben der kanadische Kaufhof-Eigentümer Hudson's Bay Company (HBC) und der österreichische Karstadt-Eigner Signa eine Absichtserklärung über ein gemeinsames Unternehmen unterzeichnet.
Viele Kommunen bangen um die Warenhäuser, die ihre Innenstädte über Jahrzehnte geprägt haben. Was würde ein Zusammenschluss für Standorte und Mitarbeiter bedeuten?
Gert Hessert, Einzelhandelsexperte der Universität Leipzig, verfolgt die Entwicklung der deutschen Warenhäuser seit Langem intensiv - bis zum Jahr 2000 war er selbst Manager bei Karstadt.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie die Fusionspläne von Karstadt und Kaufhof überrascht?
Hessert: Wenn man begreift, dass der große Konkurrent von Karstadt längst nicht mehr Kaufhof ist, dann ist es logisch, dass man diese systemgleichen Geschäfte bündelt.
SPIEGEL ONLINE: Der eigentliche Konkurrent heißt Amazon .
Hessert: Absolut. Der Onlinehandel ist derzeit zu zwei Dritteln in der Hand von US-Konzernen. Das ist eine Entwicklung, die an deutschen Unternehmen ziemlich vorbeigegangen ist.
SPIEGEL ONLINE: Die bisherigen Versuche einer Not-Ehe von Karstadt und Kaufhof sind aber immer wieder gescheitert. Warum sollte es jetzt klappen?
- Swen Reichhold/ Universität Leipzig
Hessert: Weil sie keine andere Wahl haben. Es geht um Synergien, Doppelstandorte und Immobilien. Man kann besser verhandeln, wenn man vier statt zwei Milliarden Euro Einkaufsvolumen hat. Man könnte zudem versuchen, die gut laufenden Eigenmarken besser zu positionieren, an der Logistik zu sparen, auch mit nur einer Konzernzentrale kann man Kosten bündeln.
SPIEGEL ONLINE: Aber Karstadt hat doch wieder Gewinn gemacht.
Hessert: Ja, aber das war kein stabiles Ergebnis. Der Umsatz ist in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 600 Millionen Euro zurückgegangen. Das Plus kam nur deshalb zustande, weil in der gleichen Zeit etwa 7300 Stellen abgebaut wurden, die Personalkosten sanken um 250 Millionen Euro. Bei Galeria Kaufhof ist die Lage schwieriger zu beurteilen. Seit das Unternehmen zu Hudson Bay gehört, versteckt es sich in den Geschäftsberichten im allgemeinen Europageschäft. Beide Unternehmen kommen um die Fusion nicht umhin, auch um notwendige Schritte - wie etwa beim Onlinehandel - nicht doppelt gehen zu müssen.
SPIEGEL ONLINE: Könnten Karstadt und Kaufhof denn eine Art deutsches Amazon werden?
Hessert: Karstadt ging bereits 1997 mit einem Onlineshop an den Start. Seither heißt es in den Jahresberichten beider Unternehmen immer wieder, man sei kurz vor einem Durchbruch im Onlinehandel. Die im Internet erzielten Umsätze stagnieren aber bei etwa zweieinhalb Prozent.
SPIEGEL ONLINE: Wie können die Warenhäuser in Zukunft denn aussehen?
Hessert: Es kommt sehr auf das jeweilige Geschäft an. Es gab eine Karstadt-Filiale in Husum mit gerade einmal 1600 Quadratmetern - und es gibt das KaDeWe in Berlin mit 60.000 Quadratmetern. Die bekommt man strategisch nur schwer unter einen Hut. Das klassische Warenhausgeschäft ist nur in den wirklich großen Städten noch langfristig zu betreiben, wo man auf großer Fläche auch noch einen gewissen Erlebniswert hat. In manchen Häusern hat man aber das Gefühl, dass da zwei Jahre lang der gleiche Anzug an der gleichen Stelle hängt. Gerade für kleinere Standorte braucht es deshalb auch Konzepte abseits des klassischen Nahversorgers. Eine Verbindung mit einer großen Abholstation für Pakete in der Filiale wäre denkbar, auch um die Idee des Marktplatzes zu leben - die Filialen liegen ja meist in guten Lagen in den Städten.
SPIEGEL ONLINE: Was würde die Zusammenlegung für Arbeitsplätze und Standorte bedeuten?
Hessert: Das ist im Einzelnen schwer zu sagen. Grundsätzlich würden wohl zuerst die größten Verlustbringer geschlossen. Man müsste schauen, wo sich durch die Eigentümersituation der Häuser schnell Einsparpotenziale ergeben. Weitere größere Bereinigungen wird es vermutlich erst mal nicht geben. Denn ich vermute, der österreichische Karstadt-Eigner Signa will rasch über einen Börsengang Geld sehen. Abfindungen beispielsweise würden dagegen hohe Kosten verursachen, die dann Auswirkungen auf den Ausgabepreis der Aktien hätten.
SPIEGEL ONLINE: Der eigentliche Neuanfang würde also ausbleiben?
Hessert: Es geht erst mal um die Frage, wie schnell ein Unternehmen einheitlich geführt werden kann. Kurzfristig müssten die Warenwirtschaften zusammengelegt werden, Kassensysteme, Artikelnummern müssten vereinheitlicht werden. Aber auch die unterschiedlichen Unternehmenskulturen spielen eine Rolle. Die Internetplattformen zusammenzubringen, wäre der nächste Schritt, auch in die Bauten müsste vielerorts investiert werden. Der Markt ist unerbittlich, viel Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen, haben die Unternehmen nicht. Wegen des Börsengangs werden zunächst aber wohl nur die extrem schlechten Standorte geschlossen und diejenigen, bei denen man günstig aus dem Mietvertrag herauskommt. Gefährdet sind auch Mini-Filialen, die Galeria Kaufhof etwa noch jede Menge hat - in Köln-Nippes, Witten, Worms, Brühl oder Neubrandenburg.
SPIEGEL ONLINE: Was droht den Mitarbeitern?
Hessert: Die üppig gewordenen Personalkosten bei Kaufhof werden durch Entlassungen auf ein Niveau wie bei Karstadt sinken müssen. Das ist nötig für den Erhalt des Unternehmens, denn andere Einzelhändler, die wie Primark neu auf dem Markt und nicht mit gewerkschaftlichen Streitigkeiten vorbelastet sind, wachsen extrem.
SPIEGEL ONLINE: Was heißt das für die Marken?
Hessert: Den maximalen Einspareffekt haben die Unternehmen jedenfalls nur, wenn sie nur eine Art von Einkaufstüten drucken lassen müssen. Es gibt Karstadt, Karstadt Sports, Galeria Inno in Belgien, Hudson's-Bay-Filialen in den Niederlanden und Galeria Kaufhof. Die stärkste Marke ist Karstadt. In der Vergangenheit hatte sich das Unternehmen Hertie-Filialen schnell einverleibt und umgeflaggt, während Kaufhof und Horten einen anderen Weg gingen. Das kann dann zum Problem werden, wenn die Filialen in Fußgängerzonen nah beieinanderliegen und der Kunde sie nicht mehr als getrennt wahrnimmt. Vielleicht könnte man aber auch ein gemeinsames Markendach schaffen, also beispielsweise Galeria Kaufhof, Galeria Karstadt und Galeria Inno
SPIEGEL ONLINE: Würden die Kartellbehörden eine Fusion denn überhaupt genehmigen?
Hessert: Eine marktbeherrschende Stellung hat das Warenhaus überhaupt nur noch an den wenigsten Standorten - und dann auch nur in besonderen Sortimenten, etwa Glas, Porzellan oder Wäsche. Bei Technik, Parfüm, Spielwaren und Kleidung gibt es längst andere Konkurrenten, die teilweise auch Marktführer sind.