Kartellamtstudie Was gegen Benzinabzocke wirklich hilft
Fünf Firmen kontrollieren den Benzinmarkt in Deutschland - und verhindern so echten Wettbewerb. Das hat jetzt eine Studie des Kartellamts offengelegt, doch ändern dürfte sich nichts. Dabei hätte die Regierung die Macht, das Treiben einzudämmen.
Hamburg - Die Erwartungen waren immens, doch sie dürften enttäuscht werden: Immer wenn die Wut über den Benzinpreis hochkochte, verwiesen Politiker auf eine Untersuchung des Bundeskartellamts. Wenn die Studie erst einmal vorliege, werde man einen "besseren Einblick in die Funktionsweise der Preissetzung im Mineralölsektor" haben, sagte etwa Ex-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) im April. Angebot und Nachfrage müssten in einer Marktwirtschaft den Preis bestimmen, "nichts anderes".
Jetzt ist es so weit. Dreieinhalb Jahre hat die Behörde Hunderte Tankstellen überwacht - in Hamburg, Köln, Leipzig und München. Die Ergebnisse werden am Donnerstag präsentiert, doch schon jetzt kann man sagen: Spektakuläre Erkenntnisse haben die Wettbewerbshüter nicht zu vermelden:
- Die Preise sind höher als sie sein müssten.
- Fünf Konzerne kontrollieren rund 70 Prozent des Markts.
- Die Tankstellenbetreiber vermeiden einen Wettbewerb, um sich gegenseitig nicht zu schaden.
Konkrete Anzeichen für illegale Preisabsprachen haben die Wettbewerbshüter nicht gefunden. Diese waren auch gar nicht Gegenstand der Untersuchung. Stattdessen ging es dem Kartellamt darum zu beweisen, dass der Benzinmarkt nicht funktioniert - weil es zu wenige Anbieter gibt. Leidtragende sind die Autofahrer, die zu hohe Preise zahlen müssen.
Hintergrund ist auch ein schwelender Rechtsstreit. Die These vom Oligopol auf dem Benzinmarkt ist in Deutschland eigentlich Konsens. Trotzdem hat sie das Oberlandesgericht Düsseldorf verworfen: Vor zwei Jahren hoben die Richter eine Entscheidung des Kartellamts auf, die dem französischen Konzern Total verbot, in Ostdeutschland 59 Tankstellen zu übernehmen. Die Behörde legte Einspruch ein, der Fall liegt nun beim Bundesgerichtshof. Die nun vorgelegte Untersuchung hat also vor allem einen Zweck: Das Kartellamt wollte ein paar Belege sammeln, um seinen juristischen Streit zu gewinnen.

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Für das Kartellamt dürfte es sehr schwierig werden, Verfahren gegen die Ölkonzerne einzuleiten, sagt der Kartellrechtler Albrecht Bach. Er ist skeptisch, dass man den Konzernen einen Verstoß gegen die geltenden Regeln nachweisen kann.
Was die Politik tun könnte
Ein wesentliches Ziel von Kartellamtspräsident Andreas Mundt ist es, eine Vergrößerung des Oligopols zu verhindern. Die Konzerne Aral, Shell, Jet, Esso und Total sollen also daran gehindert werden, weitere Tankstellen zu übernehmen. Das ändert aber nichts an der derzeitigen Situation. Eine echte Handhabe gegen das Benzin-Oligopol haben die Wettbewerbshüter nicht.
Tatsächlich am Zug wären die Politiker - also ausgerechnet jene, die jahrelang über Benzinabzocke gelästert haben, ohne etwas dagegen zu tun. Wenn es der schwarz-gelben Regierung ernst ist, muss sie die Gesetze ändern. Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten:
- Der Gesetzgeber kann direkt in die Preissetzung eingreifen. Die CSU nennt das Beispiel Österreich: Dort dürfen die Benzinpreise nur zu einer bestimmten Uhrzeit einmal am Tag erhöht werden, Preissenkungen sind dagegen immer möglich.
- Union und FDP können den Kartellwächtern mehr Macht geben. Dafür soll das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verschärft werden, fordern die Liberalen. Konkret würde das bedeuten, dass das Kartellamt leichter Verfahren einleiten kann, Missbrauch härter bestrafen und schneller Bußgelder verhängen kann.
- Das härteste Instrument wäre ein sogenanntes Entflechtungsgesetz. Damit könnten Oligopole und Monopole zerschlagen werden - sogar, wenn gar nicht nachgewiesen ist, dass sie einen freien Wettbewerb behindern. Brüderle hat ein solches Gesetz bereits Anfang des Jahres vorgeschlagen, scheiterte damit jedoch im Kabinett.
Die FDP versucht nun, das Thema wiederzubeleben. Immerhin gibt es jetzt empirische Belege für die Probleme auf dem Kraftstoffmarkt. Es dürfe "keine Tabus geben", sagte der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion Martin Lindner SPIEGEL ONLINE. Die Parteispitze treffe sich am Montagabend, "und da wird auch das Entflechtungsgesetz ein Thema sein", so Lindner. Das Verhalten der Mineralölkonzerne sei "völlig inakzeptabel".
Doch macht die Koalition dieses Mal wirklich Ernst? Oder handelt es sich wieder nur um großspurige Versprechen ohne Konsequenzen? Experte Bach rechnet nicht mit allzu großen Problemen für die Konzerne: "Ein solches Entflechtungsgesetz ist politisch schwer durchzusetzen. Es wäre in der Anwendung sehr komplex und schwerfällig, weil die Unternehmen sicher klagen werden." Ohnehin sperrt sich der Koalitionspartner CSU.
Zudem könnte sich die Regierung mit dem FDP-Vorstoß selbst schaden: Schließlich sind einige der letzten Monopolisten im Land Staatskonzerne, zum Beispiel die Deutsche Bahn. Mit einem Entflechtungsgesetz würde die Politik also vor allem ihre eigenen Betriebe zerschlagen - und das will kaum einer.
Mitarbeit: Steffen Daniel Meyer