Vegane Bioprodukte Rossmann ignoriert "Ökotest"-Warnung für Brotaufstrich
Bio und vegan - welcher Brotaufstrich könnte gesünder sein? Einer ohne Mineralöle. Bei einem Test wurden diese möglicherweise krebserregenden Stoffe nachgewiesen. Einige Produkte werden aber einfach weiterverkauft.
Vegane Brotaufstriche sind gut für das Gewissen: Sie enthalten keine tierischen Bestandteile, und viele werden zudem mit Biozutaten produziert. Gesund aber sind sie offenbar nicht immer. Die Zeitschrift "Ökotest" hat in ihrer aktuellen Ausgabe 22 Brotaufstriche getestet und in 17 von ihnen erhöhte Konzentrationen problematischer Mineralölkohlenwasserstoffe gefunden. In vier Produkten der Marken Bio Primo, Ener Bio, dm Bio und Tartex wies das Labor sogar die möglicherweise krebserregenden aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffe (Moah) nach.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat die vier Hersteller gefragt, welche Konsequenzen sie aus den Testergebnissen ziehen - die Antworten liegen SPIEGEL ONLINE vor. Das Ergebnis ist ernüchternd: Einzig die Drogeriekette Müller hat ihre Bio Primo Gourmet Pastete Kräuter umgehend aus den Regalen geräumt, das Produkt nach eigenen Angaben zurückgerufen und "dauerhaft in dieser Zusammensetzung" aus dem Sortiment genommen.
Auch die Drogeriekette dm hat den Artikel aus den Regalen geräumt - allerdings nur "bis zur finalen Klärung des Sachverhaltes". In der Stellungnahme weist dm gleichzeitig darauf hin, dass "die gesetzlichen Anforderungen voll erfüllt" seien und es sich um eine "freiwillige Vorsichtsmaßnahme" handele.
Der Branchenzweite Rossmann reagierte ablehnend auf die Anfrage: Man teile die Kritik nicht, "eine abschließende gesundheitliche Bewertung zu Moah liegt nach heutigem Kenntnisstand derzeit nicht vor". Im Rahmen der eigenen Qualitätsoffensive untersucht die Drogeriekette nach eigenen Angaben regelmäßig auch die Mineralölbelastung und sieht dabei "durchaus eine Hintergrundbelastung von Lebensmitteln" - allerdings könnten die Rückstände technisch gesehen nicht ausnahmslos vermieden werden. Im Klartext: Der von "Ökotest" mit mangelhaft bewertete Brotaufstrich Ener Bio Paprika-Chili wird weiterhin verkauft.
Verunreinigung im Kokosfett
Ähnlich handhabt es die Firma Allos, die auch die Bio Primo Gourmet Pastete für Müller herstellt. Der Ökopionier stellt seit 1974 Biolebensmittel her, mit Tartex hat die Firma auch den Erfinder der vegetarischen Bio-Brotaufstriche übernommen. Unter dem Namen Allos Hof-Manufaktur kultiviert die Firma den Ruf des nachhaltigen Bioproduzenten, bei dem die Produktion noch in Handarbeit geschieht. In Wirklichkeit gehört Allos schon seit 2001 der niederländischen Wessanen-Gruppe, einem börsennotierten Bio-Konzern mit fast 600 Millionen Euro Umsatz - und mit weltweiter Lieferkette.
Irgendwo dort ist wohl auch das Mineralöl in den Aufstrich Tartex Brotzeit Tomate gelangt. Wie Allos mitteilt, hat das Unternehmen nach den mangelhaften Testergebnissen "umfangreiche Nachforschungen angestellt" und das verwendete Kokosfett als Verursacher erkannt. "Der Eintrag von Mineralölbestandteilen muss bei der Verarbeitung der Kokosnuss zum Kokosfett erfolgt sein", schreibt Allos. Vorerst bezieht das Unternehmen sein Kokosfett von einem anderen Lieferanten. Einen Verkaufsstopp gibt es nicht.
Allos rechtfertigt sich, ähnlich wie die anderen Hersteller, mit dem Hinweis, dass es "derzeit noch keine verbindlichen Werte" zu den Höchstmengen von aromatischen (Moah) und gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (Mosh) in Lebensmitteln gebe.
Foodwatch nennt Weiterverkauf unverantwortlich
Tatsächlich hat keine Behörde bisher einen Grenzwert festgelegt. Allerdings stuft die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) Mosh als "potenziell besorgniserregend" ein. Es gibt Belege, dass sich die Mineralölverbindungen in menschlichen Organen ablagern. Moah stuft die Efsa sogar als als "möglicherweise krebserregend und erbgutverändernd" ein.
Foodwatch forderte Rossmann und Allos auf, den Verkauf ihrer belasteten Ware ebenfalls zu stoppen. Johannes Heeg von der Organisation nannte den Weiterverkauf "völlig unverantwortlich". Die unterschiedliche Reaktion der Unternehmen zeige, dass der Verbraucherschutz nicht den Herstellern und Händlern überlassen werden dürfe.
Tatsächlich finden Verbraucherorganisationen immer wieder bei Tests die problematischen Substanzen in Lebensmitteln. Mineralöle werden in der Lebensmittelindustrie etwa als Schmiermittel für Maschinen oder in Verpackungen eingesetzt. Durch die immer längeren Lieferketten gelangen die Rückstände offenbar recht häufig in die Lebensmittel.