Insolventer Ökokonzern Mitarbeiter feiern Prokon-Chef
Wer ist schuld an der Pleite von Prokon? Firmengründer Carsten Rodbertus tritt am Tag nach dem Insolvenzantrag selbstbewusst auf. Von den Mitarbeitern erhält er dafür begeisterten Applaus - viele Anleger dürften seine Rolle kritischer sehen.
Ganz zu Beginn zeigt sich die neue Hackordnung, die nun bei Prokon herrscht: Vorneweg läuft Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin, erst dahinter der Firmengründer Carsten Rodbertus, vorbei an einem Dutzend Kamerateams und geschätzt mehr als 50 Journalisten, auf ein improvisiertes Podium aus Holzpaletten. Auch dort muss Rodbertus sich hinten anstellen. Zuerst begrüßt der Insolvenzverwalter Journalisten und die mehreren hundert Mitarbeiter, die gespannt etwas weiter hinten in Halle E warten.
Doch als Penzlin Rodbertus das Wort übergibt, wird klar, auf wen die Mitarbeiter ihre Hoffnungen setzen, immer noch, einen Tag, nachdem das Ökoenergie-Unternehmen Insolvenz beantragt hat. Beifall brandet auf. Und Rodbertus - graue, zusammengebundene lange Haare, Jeans, blaue Prokon-Jacke, breiter Schaukelgang - lässt es sich nicht nehmen, die beiden relevanten Neuigkeiten selbst zu verkünden:
- Prokon will einen Teil der nach eigenen Angaben etwas mehr als 300 Windparks verkaufen. Er habe bereits zwei Gespräche mit mindestens fünf Marktteilnehmern geführt, sagt Rodbertus. Er glaube, einen Preis über dem Buchwert erzielen zu können und damit beweisen zu können, dass Prokon über stille Reserven verfüge.
- Ein Rechtsgutachten soll feststellen, ob Prokon wirklich zahlungsunfähig ist. Denn es sei unsicher, ob die laut jüngsten Firmenangaben 227 Millionen Euro an Genusskapital, die die Anleger bislang gekündigt haben, als Forderung berücksichtigt werden müssen oder nicht. Wenn nicht, würde auch das vorläufige Insolvenzverfahren aufgehoben, denn gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten oder den Sozialversicherungen habe man keine Außenstände. Das sei eine "rechtlich sehr schwierige Frage", sekundiert Penzlin. In zwei bis drei Monaten soll das Gutachten vorliegen.
Es ist ein Hoffnungsschimmer für Rodbertus und die Prokon-Mitarbeiter. Und gleich mehrfach wird an diesem Tag überdeutlich, wer aus ihrer Sicht eigentlich schuld ist an der Misere: Verbraucherschützer und Medien mit ihrer bösen Kampagne. So stellt es die Firma, die im Frühjahr 2013 die Pressearbeit eingestellt hatte, auch offensiv auf ihrer Internetseite dar.
Als eine Journalistin die Frage nach der Ursache der Schieflage stellt und Rodbertus antwortet, dazu habe man sich bereits in der Vergangenheit ausführlich geäußert, klatschen die Mitarbeiter frenetisch. So etwas nennt man wohl Wagenburgmentalität.
Dann begründet Rodbertus die Entscheidung, kein Planinsolvenzverfahren beantragt zu haben, explizit damit, dass dann "weitere Anfeindungen" zu erwarten gewesen wären. Denn dann hätten die alte Geschäftsführung und damit er weiter die Entscheidungen getroffen. Nun ist es aber der Insolvenzverwalter, der das letzte Wort hat.
"Jeder macht Fehler"
Ob Rodbertus denn nicht auch selbst Fehler gemacht habe? "Jeder macht Fehler", antwortet er selbstbewusst, aber am Ende zähle ja, ob man mehr richtig als falsch gemacht habe. Nur einen Fehler will er explizit eingestehen, der ohnehin nicht zu bestreiten ist, weil er der Grund für die Insolvenzanmeldung ist: Ja, dass Prokon langfristige Investitionen mit kurzfristig kündbaren Anlagen finanzierte, sei im Nachhinein falsch gewesen. Aber auch hier schränkt Rodbertus die eigene Verantwortung sogleich wieder ein: Es gebe viele Objekte, etwa im Immobilienbereich, die ähnlich finanziert würden.
Und überhaupt: Man habe sich eben den Bedürfnissen der Investoren angepasst, für die langfristige, im Zweifelsfall auf Jahrzehnte angelegte Anlageformen nicht attraktiv gewesen seien. "Unsere Anleger sind alt", sagt Rodbertus unverblümt.
Ob es allerdings auch zu den Bedürfnissen eben jener betagten Zielgruppe passt, nun erst einmal auf unbestimmte Zeit auf ihr Geld und die Zinsen verzichten zu müssen, lässt Rodbertus offen.
In der Tat war Prokons Finanzierungsmodell ebenso ungewöhnlich wie riskant: Statt Kredite bei Banken aufzunehmen, setzte Gründer Rodbertus seit 2007 fast komplett auf Privatanleger. Mindestens sechs Prozent Zinsen versprach Prokon, bis zu acht Prozent zahlte es tatsächlich aus. Mehr als 75.000 Anleger köderte das Unternehmen so, mehr als 1,4 Milliarden Euro investierten diese, im Schnitt fast 20.000 pro Anleger.
Insolvenzverwalter: Noch keine Bilanz für 2012
Insolvenzverwalter Penzlin verbreitet nun Optimismus, dass es weitergeht bei Prokon. "Unser Ziel ist die Fortführung, der Erhalt und die Sicherung von Unternehmenswerten." So stehe etwa die Fortführung des Geschäfts mit der Windkraft außer Frage. Es gebe "gewisse Ansätze", die für ein mögliches erfolgreiches Geschäftsmodell sprächen.
Doch wie viel bei Prokon im Argen liegt, macht Penzlin ebenso deutlich, obwohl er sehr sachlich und ruhig spricht: Es gebe noch keine Bilanz für das Jahr 2012, der erarbeiteten könnte das Testat versagt werden, dafür gebe es Hinweise, erklärt er auf Nachfrage. Für das Jahr 2013 werde man einen anderen Wirtschaftsprüfer beauftragen. Es gelte nun, "Grund in die Zahlenlage zu bekommen". Mit anderen Worten: Niemand kann derzeit sagen, wie es um Prokon wirklich steht.
Und dann wird der Insolvenzverwalter gefragt, ob es Hinweise auf ein Schneeballsystem bei Prokon gebe, bei dem typischerweise die Erträge der Anleger aus Neuanlagen bezahlt werden. Geprüft werde das erst, wenn das Insolvenzverfahren auch wirklich eröffnet werde, antwortet Penzlin. Aber er werde Anhaltspunkte dafür sammeln, auch wenn er bis jetzt keine konkreten habe. Aber klar ist: "Das hätte erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen", sagt der Insolvenzverwalter.
Rodbertus steht neben ihm. Für einen Augenblick wirkt er etwas weniger selbstbewusst.
mit Material von Reuters und dpa