Kommentar zu Nordbank-Prozess Fairness für Dr. No
Das Landgericht Hamburg urteilt über Dirk Jens Nonnenmacher und weitere Ex-Vorstände der HSH-Nordbank. Ein harter Schuldspruch würde Rachegelüste befriedigen. Doch das Verfahren hat gezeigt, wie dünn die Vorwürfe sind.
Muss man Mitgefühl haben mit jemandem wie Dirk Jens Nonnenmacher? Das hagere, fahle Gesicht des ehemaligen HSH-Nordbank-Vorstands gilt vielen Menschen als Deutschlands böse Fratze des Finanzkapitalismus. Eiskalt und arrogant. Die streng zurückgekämmten Haare tun ein Übriges.
Für all jene, die Nonnenmacher aus der Ferne hassen, könnte dieser Mittwoch Genugtuung bringen. Seit fast einem Jahr stand der Banker zusammen mit fünf ehemaligen Vorstandskollegen vor dem Hamburger Landgericht. Nun werden die Richter voraussichtlich ihr Urteil fällen. Im schlimmsten Fall müssen Dr. No und Kollegen dorthin, wo viele Bürger sie gerne sähen: ins Gefängnis.
Doch wäre das gerechtfertigt? Der Prozess gegen die ehemaligen HSH-Vorstände zeigt, wie schwer es ist, die Schuld der Banker an der Finanzkrise juristisch aufzuarbeiten. Denn vieles, was uns heute empört, war damals in der Finanzbranche nicht nur üblich, sondern auch legal. Das trifft im Kern auch auf das Geschäft zu, das sich die Hamburger Staatsanwaltschaft rausgesucht hat, um daran eine Art Exempel zu statuieren: Omega55.
Dabei ging es um einen Doppel-Deal mit der französischen Großbank BNP Paribas, der die Bilanz der HSH entlasten sollte - im Rückblick ein extrem schlechtes Geschäft für die Landesbank. Doch hätten die Vorstände das schon vorher wissen können? Oder sogar wissen müssen?
Selbst die Staatsanwälte fordern nur noch Bewährungsstrafen
Genau darum drehte sich das Verfahren. An mehr als 60 Verhandlungstagen wurde jedes Detail des Geschäfts mit Zeugen durchgekaut. Dabei kam viel Fürchterliches zu Tage: Die Kontrollstrukturen in der Bank waren katastrophal, das fragliche Geschäft schlampig vorbereitet und nur für wenige Experten überhaupt durchschaubar. Die Vorstände, so scheint es, wollten den Deal unbedingt schnell durchziehen.
Und trotzdem bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet: Haben sie ihre Pflichten verletzt und vorsätzlich nicht genauer hingesehen, welchen Mist ihre Mitarbeiter ihnen da vorlegten? Nur dann könnten sie nämlich verurteilt werden. Nur dann wäre ihnen Untreue nachzuweisen.
Und da wird auch die Argumentation der Staatsanwälte zumindest wackelig. Das haben sie offenbar selbst gemerkt. So geriet ihr Schlussplädoyer deutlich zahmer als die Anklageschrift. Die Schadenssumme wurde gewaltig nach unten korrigiert, eine persönliche Bereicherung der Vorstände konnten die Ankläger nicht feststellen. Und überraschend forderten sie nur Bewährungsstrafen.
Das Omega-Geschäft der HSH-Nordbank war eine schlechte Entscheidung des Vorstands und wohl auch eine zu leichtfertig getroffene. Sie trug dazu bei, dass die Steuerzahler in Hamburg und Schleswig-Holstein das ländereigene Institut mit mehreren Milliarden Euro retten mussten. Doch wenn alle Banker hinter Gitter müssten, die ihren Unternehmen mit waghalsigen Deals geschadet haben, wären viele Vorstandsetagen leer gefegt.
Man mag die diffuse Wut der Steuerzahler auf diejenigen verstehen, die ihnen Milliardenkosten eingebrockt und dennoch selbst Millionenabfindungen eingestrichen haben. Aber eine unsympathische Erscheinung und schlechte Geschäfte alleine dürfen nicht ausreichen, um einen Menschen ins Gefängnis zu bringen.
Das Hamburger Landgericht urteilt über die ehemaligen Vorstände der HSH Nordbank. Sollten Dirk Jens Nonnenmacher und seine früheren Kollegen wegen des umstrittenen Omega-Geschäfts bestraft werden?

E-Mail: Stefan_Kaiser@spiegel.de