Viren-Forschung Fachblatt veröffentlicht umstrittene Vogelgrippe-Studie
Kaum ein anderes Forschungsprojekt hat so viele Ängste geweckt - jetzt aber erscheint die erste von zwei Studien, für die Wissenschaftler aggressive Vogelgrippeviren gezüchtet haben. Eigentlich wollte die US-Regierung die Veröffentlichung stoppen.
Vogelgrippeviren haben eine verheerende Wirkung, wenn Menschen sich mit ihnen anstecken; mehrere hundert sind in den vergangenen Jahren an dem Erreger gestorben, nur etwa jeder zweite überlebte die Infektion mit dem Virus vom Typ H5N1. Zum Glück ist bisher kein Vogelgrippevirus aufgetreten, das von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Die Betroffenen hatten sich direkt bei infizierten Vögeln angesteckt.
Ein H5N1-Virus, das sich unter Menschen einfach verbreiten könnte - etwa wie ein Schnupfen durch Tröpfcheninfektion -, könnte eine weltweite, dramatische Grippewelle auslösen, befürchten Seuchenforscher. Denn das menschliche Immunsystem ist auf diese Viren nicht vorbereitet.
Zwei Forschergruppen haben nun Vogelgrippeviren im Labor so verändert, dass sie unter Frettchen leichter übertragbar sind. Die Experimente sollen dazu dienen, sich besser auf eine mögliche Pandemie vorzubereiten. Also zu klären, ob H5N1-Viren überhaupt in der Lage sind, sich von Mensch zu Mensch zu verbreiten. Und falls ja, wie diese dann aussehen, damit sich frühzeitig Impfstoffe herstellen lassen. Kritiker befürchten, die Forschung könnte auch von Terroristen missbraucht werden.
Ende 2011 hatten die bevorstehenden Veröffentlichungen deshalb eine große Debatte losgetreten. Kann diese Forschung veröffentlicht werden - oder liefert man damit Verbrechern eine Bauanleitung?
Das Gremium der US-Regierung für Biosicherheit (National Science Advisory Board for Biosecurity, NSABB) hatte gefordert, Details der Experimente nicht zu veröffentlichen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand die Arbeit des niederländischen Virologen Ron Fouchier, allerdings hatte auch eine Forschergruppe der University of Wisconsin-Madison um Yoshihiro Kawaoka eine Studie abgeschlossen und zur Begutachtung beim Wissenschaftsmagazin "Nature" eingereicht.
Ein Virusprotein verändert
Diesen Fachartikel hat "Nature" nun publiziert, der von Fouchier und seinen Kollegen soll demnächst in "Science" erscheinen.
Das Team um Kawaoka, der in den USA und Japan forscht, hat sich besonders mit einem Virusprotein auseinandergesetzt, dem sogenannten Hämagglutinin. Es findet sich auch im Namen des Virus wieder, das untersuchte Vogelgrippevirus enthält entsprechend H5-Hämagglutinin.
Der Aufbau dieses Proteins bestimmt, an welche Zellen das Virus andocken kann und damit auch, welche Organismen befallen waren. Die Wissenschaftler fügten zufällige Mutationen in dieses Eiweiß ein, anschließend verschmolzen sie diesen Bauplan mit einem H1N1-Virus, das von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Im Experiment mit Frettchen zeigte sich, dass diese Infektion per Tröpfcheninfektion von Tier zu Tier übertragen wurde. Die Krankheit verlief relativ mild, die Frettchen starben nicht daran.
Das Experiment belege, dass H5-Hämagglutinin sich so verändern kann, dass es zwischen Säugetieren übertragbar ist, schreiben die Wissenschaftler. Ob die lediglich vier Mutationen im Hämagglutinin einem kompletten Vogelgrippevirus diese Fähigkeit verleihen würden, konnten die Forscher nicht beantworten. Ron Fouchiers Arbeitsgruppe zeigte dies allerdings - dort entwickelte ein Vogelgrippevirus mit nur fünf Mutationen die Fähigkeit, in Windeseile von Säugetier zu Säugetier zu springen.
Reichen die Sicherheitsstandards?
Kawaoka und sein Team betonten, wie wichtig es ist, die entsprechenden Mutationen zu kennen. So könne man entsprechende zirkulierende Virusvarianten schnell erkennen und - solange sie sich nur bei Geflügel finden - ausrotten. Auch für die Impfstoffentwicklung sind die Daten wichtig.
Im Leitartikel von "Nature" spiegelt sich wider, welche Diskussionen um diese und Fouchiers Arbeit geführt worden sind. Man habe einiges daraus lernen können, heißt es. So sei es keine Alternative, eine Studie zu veröffentlichen, die wichtige Fakten auslässt - das behindere die üblicherweise folgende Forschung. Ebenso hält "Nature" es für unmöglich, Arbeiten wie diese nur einem kleinen eingeweihten Kreis zukommen zu lassen. "Wir sehen keinen Mechanismus und keine Kriterien, anhand derer sich sinnvoll entscheiden lässt, wer die Arbeit sehen darf und wer nicht", heißt es. Außerdem glaube man nicht, dass die Information, wenn sie erstmal an mehreren Universitäten bekannt ist, dauerhaft geheim bleibt.
Lehrreich war auch, sich stärker mit den Sicherheitsvorkehrungen in Laboren auseinanderzusetzen. Dort drohe echte Gefahr, denn ein freigesetztes, von Mensch zu Mensch übertragbares H5N1-Virus könnte eine Grippe-Pandemie auslösen. Dass die Standards in den Laboren hoch genug sind und auch ständig eingehalten werden, sollten die Forscher jetzt klären.
wbr