Plastische Chirurgie Warum Menschen ihren Körper tunen
2. Teil: Trend zum Körpertuning
Wieso wird ein vermeintlich perfektes Aussehen vielen offenbar immer wichtiger? Soziologen halten den Trend zum Körpertuning mit chirurgischen Mitteln für eine Folge der Individualisierung. In den westlichen Ländern lösen sich traditionelle Bindungen zunehmend auf. Damit steigt die Verantwortung des Einzelnen für die eigene Biografie. Identität wird immer weniger durch die Familie, den Wohnort oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsschicht definiert. Folge: Das Aussehen signalisiert noch stärker als früher, wer wir sind.
Da soziale Beziehungen heute nur noch selten ein ganzes Leben lang halten, bleibt die Partnersuche für viele auch im mittleren und höheren Lebensalter ein Thema. Sowohl Frauen als auch Männer rechnen sich Chancen auf dem "Heiratsmarkt" aus, wenn sie der Natur ein wenig nachhelfen. Tatsächlich haben einige US-amerikanische Studien der letzten Jahre gezeigt, dass die Partnersuche zur Entscheidung für eine Schönheits-OP beitragen kann.
Auch die Mode spielt eine Rolle: Unsere Kleidung ist durchsichtiger geworden. Sie verhüllt nicht mehr kunstvoll wie in früheren Zeiten, sondern bringt die Kurven - oft schonungslos - zur Geltung. Hinzu kommt, dass Schönheitsoperationen dank des medizinischen Fortschritts sicherer und billiger geworden sind. Man muss also kein Großverdiener mehr sein, um sich plastisch-chirurgische Maßnahmen leisten zu können.
Der vielleicht bedeutendste Faktor sind jedoch die Medien. Wir begegnen Bildern von idealtypischen Körpern fast häufiger als realen Menschen. Von jeder Litfaßsäule, von den Titelseiten der großen Zeitungen und Magazine lächeln uns schöne Menschen an. Die Werbung hat dem perfekten Körper zu einer bis dato nicht gekannten Aufmerksamkeit verholfen. Ein jugendliches, attraktives Aussehen gilt heute als Symbol für sozialen Erfolg.
Freilich handelt es sich bei den omnipräsenten Bildern um ästhetische Fiktionen, nicht um Abbilder realer Körper - was viele Menschen nicht davon abhält, die unrealistischen Fotos zum Maßstab zu machen. So ergab eine Untersuchung der Psychologin Sherrie Delinsky von der Harvard Medical School in Boston im Jahr 2005, dass erhöhter Medienkonsum den Wunsch nach einem plastisch-ästhetischen Eingriff verstärkt.
Laut einer Studie des Instituts für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München liefen im deutschen TV allein in den Monaten Februar bis Mai 2003 über 1250 Sendungen zum Thema Schönheitschirurgie. Acht Prozent davon waren so genannte Operationsshows. Dieses relativ junge Format, in dem Kandidaten eine Nasenkorrektur, ein Lifting oder eine Bauchstraffung gewinnen können, stammt aus den USA und lockt dort wöchentlich bis zu zehn Millionen Zuschauer vor den Bildschirm.
Umstrittener TV-Trend
Die Sendungen folgen stets dem gleichen Muster. Zunächst wird die Kandidatin vorgestellt und ihr Leidensdruck geschildert. Gestellte Szenen, etwa über Hänseleien in der Kindheit, vermitteln dem Zuschauer: Hier kann nur noch eine Schönheitsoperation helfen!
In der Sendung "The Swan - endlich schön!", die als Prototyp der Beautyshows gilt, begeben sich die auserwählten Kandidatinnen für drei Monate in ein so genanntes Schönheitscamp, wo sie mit Hilfe von Fitnesstrainern, Ernährungsexperten und vor allem Schönheitschirurgen am eigenen Erscheinungsbild arbeiten. Das Spektrum reicht von Singles bis hin zu verheirateten Frauen mit einem oder mehreren Kindern. Der Altersdurchschnitt liegt bei 32 Jahren. Die Frauen kommen aus unterschiedlichen Berufsgruppen: Sie sind Angestellte, Selbstständige, Umschülerinnen oder Hausfrauen.
Im Camp gibt es keine Spiegel. Erst am Ende der Show wird den Teilnehmerinnen vor laufenden Kameras ein Blick in den Spiegel gewährt. Unter Freudentränen kommentieren die Frauen ihre neue Nase oder die vergrößerten Brüste mit Äußerungen wie: "Endlich bin ich der Mensch, der ich schon immer sein wollte!"
Als Grund für die Teilnahme bei solchen Beautysendungen nennen fast alle Kandidatinnen mangelndes Selbstbewusstsein, ein negatives Selbstbild und die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper - Dinge, die sich den Kandidatinnen zufolge nach der Rundumerneuerung stets zum Besseren gewandt haben. Obwohl in den Formaten kein einziges Mal das Wort Schönheitsideal auftaucht, haben alle Teilnehmerinnen offenbar eine exakte Vorstellung davon, wie eine wohl geformte Nase und eine gute Figur aussehen müssen.
Sendungen wie "The Swan - endlich schön!" erreichen auch in Deutschland Spitzeneinschaltquoten, aber sie rufen auch Kritiker auf den Plan, die sich vehement für ein natürliches Schönheitsideal einsetzten und kosmetische Eingriffe konsequent ablehnen.
- 1. Teil: Warum Menschen ihren Körper tunen
- 2. Teil: Trend zum Körpertuning
- 3. Teil: Drang zum nächsten Eingriff