Fundamental Physics Prize Russe macht Physik-Nobelpreis Konkurrenz
Drei Millionen Dollar für Stephen Hawking, drei Millionen für die Entdecker des Higgs-Bosons: Ein russischer Unternehmer beschenkt Wissenschaftler, er hat eine neue Ehrung für Physiker gestiftet. Finanziell ist der Fundamental Physics Prize sogar lukrativer als der Nobelpreis.
Berlin - Wie ist das eigentlich, wenn man so viel Geld verdient hat, dass man es nie im Leben mehr ausgeben kann? Der eine kauft sich eine teure Yacht, der andere einen ruhmreichen Fußballverein. Der russische Geschäftsmann Juri Milner, der mit erfolgreichen Investments in Internetfirmen wie mail.ru, Facebook und Alibaba ein Vermögen gemacht hat, geht einen anderen Weg als seine Oligarchenkollegen.
Milner hat den Fundamental Physics Prize gestiftet - eine Auszeichnung für Physiker, die zu einer ernsthaften Konkurrenz für den renommierten Nobelpreis werden könnte. Drei Millionen US-Dollar will die Milner Foundation jährlich für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Physik vergeben - mehr als doppelt so viel, wie das Nobel-Komitee ausschüttet, das jüngst seine Prämie sogar kürzen musste.
Das Geld sitzt offenbar locker bei Milner, denn er hat allein in diesem Jahr schon Preisgelder in Höhe von 33 Millionen Dollar verteilt. Jeweils drei Millionen gingen im Juli an die ersten neun Empfänger des Fundamental Physics Prize. Die Beschenkten wurden von Milner höchstpersönlich ausgesucht, der in den achtziger Jahren in Moskau Physik studierte, die Promotion aber zugunsten einer Managementausbildung abgebrochen hatte.
Die neun Preisträger haben nun drei Kandidaten für den Drei-Millionen-Preis im Jahr 2013 bestimmt - und nebenbei auch noch zwei mit je drei Millionen Dollar dotierte Sonderpreise an Stephen Hawking und die Entdecker des Higgs-Bosons am Cern Genf verliehen. Hawking erklärte gegenüber dem "Guardian", er sei erfreut und fühle sich geehrt. Cern-Direktor Rolf-Dieter Heuer sagte: "Dieser Preis würdigt die Arbeit aller, die an dem Projekt über viele Jahre mitgearbeitet haben."
Prämie für Stringtheorie
Milners Regeln für die Preisvergabe sind durchaus geschickt gewählt. Sie nutzen eine Lücke, die das Nobel-Komitee ganz bewusst lässt. Ein Theoretiker darf nur dann einen Nobelpreis erhalten, wenn seine Theorien sich in der Praxis bestätigt haben. Der Fundamental Physics Prize kann hingegen auch für die Entwicklung bislang unbewiesener Modelle verliehen werden - wie die Stringtheorie. Diese soll das Standardmodell der Teilchenphysik mit der Gravitationstheorie verbinden.
Mit Joseph Polchinski (University of California in Santa Barbara) und Alexander Polyakow (Princeton University) haben gleich zwei der drei jetzt für 2013 nominierten Preisträgerkandidaten auf diesem Gebiet der Physik geforscht.
Zudem erlauben Milners Regeln im Unterschied zum Nobelkomitee auch die Vergabe des Preises an mehr als drei Personen, die sich die Prämie für eine gemeinsame Entdeckung dann teilen. So ist es möglich, die Entdecker des Higgs-Bosons zu ehren. Stellvertretend wurde der Preis an sieben leitende Wissenschaftler vergeben, welche am LHC-Beschleuniger und den Experimenten "Atlas" und "CMS" beteiligt waren.
Bei der wissenschaftlichen Community kommt der neue Preis erst einmal gut an. Wer freut sich nicht über drei Millionen Dollar? Das europäische Kernforschungszentrum Cern wird bei der Preisverleihung im März 2013 sogar die Rolle des Gastgebers übernehmen.
Reicht die Puste?
Ob der Fundamental Physics Prize tatsächlich ein so hohes Renommee erreicht wie der Nobelpreis, hängt nicht zuletzt von der finanziellen Puste der Milner Foundation ab. Nach Aussage ihres Sprechers, Leonid Solowyew, verfügt die Stiftung über keinen Kapitalstock, aus dessen Erträgen die Preisgelder bezahlt werden. Vielmehr muss Milner die Prämien jedes Jahr an die Stiftung überweisen.
Milner ist nicht der einzige Multimillionär, der einen Teil seines Geldes für die Wissenschaft stiftet. 2004 machte der privat finanzierte Ansari X Prize Schlagzeilen: Zehn Millionen Dollar gewann die US-Firma Scaled Composites, nachdem sie binnen einer Woche zweimal mit dem bemannten Raumschiff "Space Ship One" eine Höhe von 100 Kilometern erreicht hatte. Mittlerweile haben auch die Nasa und Google Preisgelder für ähnliche technologische Herausforderungen ausgelobt.
Das beste Beispiel dafür, dass eine private Wissenschaftsstiftung eine sehr gute Arbeit leisten kann, ist die Nobel-Stiftung selbst. Sie wurde bereits 1900 gegründet, das Geld stammt aus dem Erbe des schwedischen Erfinders Alfred Nobel.
Urban Wiesing, Sprecher des Internationalen Zentrums für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) an der Universität Tübingen, wundert sich kaum über die Vielzahl von Wissenschaftsstiftungen: "Wir haben immer mehr privaten Reichtum - und die Reichen wollen einen Teil ihres Geldes verteilen", sagt er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Mit privaten Stiftungen komme jedoch mehr Zufälligkeit in die Forschungsförderung. Beispiel José Carreras: Er ist an Leukämie erkrankt und hat - ein durchaus nobles Unterfangen - eine Leukämie-Stiftung gegründet. Diese erhält durch seine TV-Spendengala eine große Aufmerksamkeit. "Leukämie ist deshalb jedoch nicht automatisch die wichtigste Krankheit, welche die Menschen bedroht", sagt Wiesing.
Er vergleicht die Situation mit Charity-Initiativen: "Der, der das Geld stiftet, ist wichtig und hat Eigeninteressen. Die müssen durchaus nicht verwerflich sein, doch es werden immer auch andere Dinge transportiert." Das Nobel-Komitee und auch staatliche Forschungsförderung nutzten bestimmte Kriterien bei ihren Entscheidungen. Bei privaten Stiftungen könnten persönliche Vorlieben und soziale Trends wichtiger sein. "Versuchen Sie mal, eine Tuberkulose-Gala zu organisieren", sagt Ethikexperte Wiesing, "eine Aids-Benefiz-Veranstaltung hat es da viel leichter".