Porthcurno Das Kommunikationszentrum am Ende der Welt
Porthcurno ist ein einsamer Fleck im äußersten Südwesten Englands - und zugleich einer der wichtigsten Orte der globalen Kommunikation. Vor fast 150 Jahren begann hier die Verkabelung Europas mit der Welt, die bis heute nicht abgeschlossen ist.
Am Ende der Welt liegt einer der Knotenpunkte globaler Kommunikation. Eine schmale Bucht mit türkisblauem Wasser und feinstem Sandstrand - pittoresk eingefasst von einer felsigen Steilküste. Land's End, der westlichste Zipfel Englands, liegt nur vier Meilen entfernt.
Außer in den überlaufenen Sommermonaten hat man diesen letzten Winkel Cornwalls meist noch immer ganz für sich. Vor allem in der Vorsaison verirren sich nur selten Fremde nach Porthcurno, ein Ort mit heute nicht einmal 40 Häusern, darunter viele Sommerresidenzen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist diese Siedlung noch immer eine Tagesreise von London entfernt.
Sollte doch jemand den Weg in die Bucht finden, so ist er als Wanderer auf dem cornischen Küstenweg meist nur auf der Durchreise. Pausieren die Besucher dann im "Cable Station Inn", der einzigen Gaststätte am Ort, ist ihnen selten bewusst, dass nur wenige Meter entfernt, im Sand vergraben, mehrere Glasfaserkabel Europas Internetverbindung mit der Welt aufrecht erhalten. Die entlegene Bucht steht damit für genau die Geschäftigkeit, der viele Besucher eigentlich zu entfliehen suchen.
Die unvermutete Karriere Porthcurnos begann mit der erfolgreichen Verkabelung des Atlantiks im Sommer 1866. Nach zahlreichen gescheiterten Versuchen war es einer anglo-amerikanischen Gruppe um Cyrus Field, John Pender und Samuel Morse endlich gelungen, den Atlantik mit einem Telegrafenkabel zu durchspannen und somit Kommunikation in Echtzeit zwischen der Alten und der Neuen Welt herzustellen. Mit einem Telegramm von 98 Worten Länge, adressiert an US-Präsident James Buchanan, eröffnete Königin Victoria ein neues Zeitalter der globalen Kommunikation. Die Queen zitierte die Weihnachtsgeschichte nach Lukas: "Glory to God in the highest, on earth peace, goodwill toward men". Buchanan, am anderen Ende der Leitung, sah in der Telegrafenverbindung nichts weniger als ein immerwährendes Band der Freundschaft und des Friedens. Man hatte wahrlich Großes vor mit der Seetelegrafie.
Das Atlantikkabel als achtes Weltwunder
Nach dem Erfolg von 1866 setzte ein regelrechter Boom der Seetelegrafen ein. Es folgten Kabel nach Indien, Asien, Australien, Lateinamerika und Südafrika, so dass ab den späten siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts fast jeder Ort auf dem Globus von Europa aus erreicht werden konnte. Hatte eine Postsendung nach Nordamerika zuvor zwei Wochen, nach Australien und Neuseeland sogar 70 Tage gebraucht, betrug die zeitliche Maximaldistanz jetzt nur noch fünf Tage.
Nachrichten verbreiteten sich per Telegraf rasant über den gesamten Globus. Als Buchanans Vorgänger, US-Präsident Abraham Lincoln, im Jahr 1865 - also noch vor der erfolgreichen Atlantikverbindung - einem Attentat zum Opfer fiel, dauerte es knapp zwei Wochen, bis man in Europa davon erfuhr. Als dagegen 1881 Präsident James A. Garfield ebenfalls ermordet wurde, wusste die Welt innerhalb weniger Stunden davon. Zeitgenossen sprachen über die Aufhebung von Zeit und Distanz und feierten das Atlantikkabel als achtes Weltwunder.
Auch heute noch betont die Wissenschaft den großen Wert der Seetelegrafie für die Entwicklung der weltweiten Kommunikation, eines globalen Bewusstseins und der damit einherschreitenden Anfänge der Globalisierung. Mit der ozeanischen Telegrafie setzte eine deutliche Homogenisierung und Zentralisierung der wirtschaftlichen und politischen Welt ein. Preisfluktuationen erfolgten zunehmend global, regionale Machtzentren verloren an Bedeutung.
Die größte Geschäftigkeit erlebte das Atlantikkabel stets in dem kurzen Zeitfenster, wenn die Börsen in New York und London gleichzeitig geöffnet hatten. In der Kolonialpolitik wurde der Telegraf zum Machtinstrument, das die Kolonien politisch und wirtschaftlich enger an ihr Zentrum band. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden Bau und Kontrolle von Telegrafennetzen wesentlich für die Stellung eines Staates im internationalen Machtgefüge. Weltwirtschaft und Weltpolitik wurden - folgt man der Argumentation des finnischen Historikers Jorma Ahvenainen - erst durch die Telegrafie möglich.
Das Deutsche Reich betrat den transatlantischen Schauplatz erst spät, in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Und das, obwohl mit den Gebrüdern Siemens von Anfang an Deutsche an der Herstellung und Verlegung der globalen Seekabel beteiligt waren. Doch erst die verstärkte Emigration und das gestiegene Handelsvolumen mit den USA führten zu einem erhöhten Kommunikationsbedarf.
Gegen Ende des Jahrhunderts reichte dies jedoch nicht mehr aus. Zusammen mit der Reichsregierung bemühten sich deutsche Industrielle um ein nationales Atlantikkabel. Über Jahre hinweg wurden derartige Pläne von der britischen Regierung blockiert, man verweigerte die Erlaubnis für die Errichtung notwendiger Relaisstationen in Cornwall und auf den Azoren. Wirtschaftliche Zusammenarbeit war politischer Rivalität gewichen.
- 1. Teil: Das Kommunikationszentrum am Ende der Welt
- 2. Teil: Pilgerort für Kommunikationshistoriker