Eschensterben Ein invasiver Käfer marschiert ein
Die Esche ist einer der wichtigsten Forstbäume in Deutschland. Jetzt droht dem Baum der Exitus durch einen invasiven Einwanderer: den Japanischen Prachtkäfer.
Er hat eine adrette Erscheinung, sein Panzer glänzt smaragdgrün. Er wirkt harmlos, sein schmaler Körper ist kaum 15 Millimeter lang. Doch der Ruf, der ihm vorauseilt, ist beängstigend: "Er ist in die USA eingeschleppt worden, dort sind zig Millionen Eschen abgestorben", klagt Thomas Schröder vom Julius-Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig, der Bundesforschungsanstalt für Kulturpflanzen. Der Forstwissenschaftler spricht vom Japanischen Eschenprachtkäfer. Und das mit echter Sorge. Denn das Insekt droht nun auch zum Totengräber der hiesigen Esche zu werden.
Die Esche hat es auch so schon schwer genug: Dem drittwichtigsten Forstbaum nach Buche und Eiche setzt ein Pilz-Parasit schwer zu - neun von zehn Eschen, die das (ebenfalls aus Asien stammende) Falsche Weiße Stengelbecherchen heimsucht, erkranken schwer oder sterben ganz ab. "Wenn dieser Prachtkäfer zu uns käme, könnte das tatsächlich zum Aussterben der Esche führen", fürchtet der Biologe und Forstpathologe Berthold Metzler von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg. Dabei habe die Esche als "Hoffnungsträger und Zukunftsbaum" gegolten, der mit der Klimaerwärmung gut klarkomme.
Der Totengräber kommt näher
Stattdessen droht dem Laubgehölz jetzt der endgültige Exitus durch den Prachtkäfer. Denn der ist mittlerweile in der Nähe von Moskau gelandet und breitet sich ungehemmt unter dortigen Eschen aus. Russland bekämpfe den Neuankömmling nicht, da die Art im - allerdings weit entfernten - Osten des Landes natürlich verbreitet sei, bedauert Thomas Schröder und warnt: "Der steht vor unserer Tür!"
Die Tiere sind so gefährlich, weil sie serpentinenförmige Larvengänge ins Holz bohren und das Teilungsgewebe der Eschen zerstören. Bei starkem Befall sterben Bäume innerhalb weniger Jahre ab. Die Europäische Union hat den Eschen-Killer zwar umgehend auf die Liste der Quarantäne-Organismen gesetzt, die hier tunlichst nicht auftauchen sollten. Eschenholz, das Russland in die EU ausführt, muss deshalb käferfrei und vor dem Export entsprechend hitzebehandelt oder begast worden sein. Dennoch ist es für den JKI-Experten nur eine Frage der Zeit, bis der gefürchtete Forstschädling auch den Weg zu uns findet.
Größere Distanzen könnte er zum Beispiel als blinder Passagier auf Lkw-Ladeflächen zurücklegen. Außerdem könnten abgestorbene Eschen, in denen Käferlarven stecken, zu Brennholz verarbeitet und unkontrolliert exportiert werden. Das, so Schröder, "ist ein Szenario, vor dem wir große Angst haben". Es gebe Internet-Foren, über die auch deutsche Verbraucher billiges Brennholz aus Russland bezögen. "Klimatisch wird er bei uns klarkommen, das hat eine Risikoanalyse ergeben", sagt der JKI-Forscher. Und: Man könne die Ausbreitung des Käfers "nur verzögern", aber nicht stoppen. In den USA sei das nicht einmal durch großräumige Fäll-Aktionen um Käfer-Brutbäume herum gelungen.
Invasion der eingeschleppten Arten
Das Schicksal der Esche zeigt, vor welchen neuen Herausforderungen Förster und Forscher stehen. "Durch den globalen Handel kommen viele exotische Schadorganismen zu uns, und der Klimawandel sorgt dafür, dass sich so ein Schädling in unseren Breiten auch ansiedeln und ausdehnen kann", erklärt Ralf Petercord von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising.
Zwei Laubgehölze haben den Kampf bereits verloren. Berg- und Feldulme sind weitgehend aus unserer Waldlandschaft verschwunden, dahingerafft von einem todbringenden Pilz, der ebenfalls aus Asien eingeschleppt wurde. Die Esche ist jetzt der nächste Kandidat. Und es gibt noch einen weiteren: die Esskastanie!
Größere Bestände dieser wärmetoleranten Baumart existieren im Südwesten Deutschlands. Auch sie galt Experten wie Berthold Metzler "eigentlich als Baumart, die im Zuge des Klimawandels eine positive Rolle spielen könnte". Doch unter den Esskastanien breitet sich ein exotischer Pilz aus, der "Rindenkrebs" auslöst und die Nutzung von Stammholz stark einschränkt. Und jetzt kommt auch noch - wie bei der Esche - ein neuer Schädling hinzu. Und der hat die Türschwelle bereits überschritten!
Den Wald klimafest zu machen, wird immer schwieriger
Im Juni 2013 wurde im Raum Mannheim erstmals die Japanische Esskastanien-Gallwespe nachgewiesen, auch sie ein Quarantäne-Organismus, der sich nun im Gebiet ausbreitet. Laut Forstpathologe Metzler "schwächt die Gallwespe die Kastanie zusätzlich und trägt dazu bei, dass der Rindenkrebs sich weiter ausbreitet."
Die ursprünglichen Anbauempfehlungen für Esche und Esskastanie sind inzwischen zurückgenommen worden, die vermeintlichen "Zukunftsbäume" damit praktisch ausgefallen. "Dadurch gehen die Freiheitsgrade des forstlichen Handelns zurück", wie es Metzlers Freiburger Fachkollege Horst Delb formuliert. Robustere Mischbestände aufzubauen und den Wald klimafest zu machen, wird immer schwieriger. Zumal mit der Einschleppung weiterer fremder Forstschädlinge zu rechnen ist.
Unser Wald könnte deshalb in Zukunft ganz anders aussehen als heute. Durchsetzt mit Kaukasischen Eichen, Tulpenbäumen oder Libanon-Zedern etwa. Noch pflanzen Förster solche Gehölze aus wärmeren Klimazonen nicht an. Aber die Forstlichen Versuchsanstalten testen den Anbau der Exoten bereits verstärkt.