Empathische Tiere Hunde lassen sich von Gähn-Geräuschen anstecken
Wenn das Herrchen gähnt, reißt oft auch der Hund das Maul auf. Forscher haben jetzt herausgefunden, dass Hunde sogar reagieren, wenn sie den Menschen gar nicht sehen, sondern nur hören. Mitgähnen gilt als Zeichen größerer Empathie.
Hunde lassen sich oft vom Gähnen ihres Herrchens oder Frauchens zum Mitgähnen animieren, wenn sie ihren Besitzer nur hören. Ertönt dagegen das Gähnen eines Menschen, den sie nicht kennen, reagieren die Tiere seltener darauf. Das spreche sehr dafür, dass bei Hunden ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen die Grundlage für das Mitgähnen ist, berichten portugiesische Forscher im Fachblatt "Animal Cognition".
Da die Tiere ihre Besitzer gut kennen, können sie sich leichter in sie hineinversetzen als in Fremde. Eine solche Empathie gilt als die treibende Kraft hinter dem ansteckenden Gähnen beim Menschen und bei Affen, schreiben Karine Silva und ihre Kollegen von der Universität in Porto.
Ansteckendes Gähnen ist bisher nur bei einer Pavianart, bei Bärenmakaken, bei Schimpansen und eben bei Hunden beobachtet worden. Letztere sind die einzige Tierart, die sich über eine Artenschranke hinweg zum Mitgähnen hinreißen lässt, denn Affen lassen sich ausschließlich von Artgenossen anstecken.
Menschen, Affen und Hunde gähnen mit
Obwohl das Phänomen intensiv untersucht wird, wissen Forscher nicht so recht, was hinter der unwiderstehlichen Ansteckungskraft des Gähnens steckt. Es gibt allerdings ein paar Eigenheiten, die dafür sprechen, dass man sich fürs Mitgähnen in sein Gegenüber hineinversetzt. Menschen und Affen reagieren stärker, wenn sie einen Vertrauten gähnen sehen. Zudem neigen Menschen mit einer sehr mitfühlenden Persönlichkeitsstruktur ebenfalls eher zum Mitgähnen als weniger einfühlsame Zeitgenossen.
Bei Hunden war die Lage bisher weniger klar. Zwar zeigte eine Studie im Jahr 2008 ganz deutlich, dass die Tiere gähnen, wenn sie einen Menschen gähnen sehen. In anderen Untersuchungen ließ sich dieser Effekt dagegen nicht so eindeutig nachweisen.
Deswegen entwarfen Silva und ihre Kollegen ein eher ungewöhnliches Experiment: Sie zeigten den Hunden keine gähnenden Menschen, sondern ließen sie nur dem typischen Geräusch beim Gähnen lauschen. Dabei gähnte mal ihr Besitzer, also eine vertraute Person, und mal ein Fremder. Zusätzlich hörten die Tiere die gleichen Gähn-Geräusche rückwärts abgespielt. Der Teil des Tests diente als Kontrolle, um alle Effekte auszuschließen, die nichts mit dem eigentlichen Gähnen zu tun hatten.
Warum die Tiere reagieren, ist noch unklar
Von den 29 Testhunden ließen sich 12 prinzipiell von allen Gähn-Geräuschen anstecken. Besonders häufig gähnten die Tiere mit, wenn sie die Stimme ihres Herrchens oder Frauchens hörten. Dieser Befund deutet laut den Forschern stark auf eine empathische Komponente hin. Es bleibe allerdings ungeklärt, ob sich die Tiere tatsächlich Gedanken um den emotionalen Status ihres Herrchens machen oder ob sie lediglich instinktiv emotional reagieren, wenn sie Hinweise auf ein bestimmtes Gefühl wahrnehmen, erläutert das Team.
Es sei noch eine andere Erklärung denkbar: Es wäre möglich, dass das typische, zum Gähnen verzogene Gesicht eines Menschen automatisch ein gespeichertes Bewegungsmuster bei den Tieren aktiviert, ohne dass die emotionale Ebene im Spiel ist. In diesem Fall hätten die Hunde stärker auf die vertraute Stimme reagiert, weil das dazugehörige Gesicht deutlicher vor ihrem geistigen Auge erscheint. Welche Interpretation stimmt, könne in weiteren Tests geklärt werden.
wbr/dapd