Umstrittener Genmais Die Angst-Debatte
Die Diskussion über die mögliche Zulassung von Genmais zeigt einmal mehr: Deutschland hat ein Problem, sich auf neue Technologien einzulassen. Sachlichkeit wird durch Angstdebatten ersetzt.
Die Zahlen aus der Umfrage von Greenpeace sagen im Grunde alles. "Sollen in Deutschland gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden?", fragte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Dezember 2013 im Auftrag der Umweltschützer. Ganze 8,6 Prozent von 982 Befragten antworteten mit Ja, 88,1 Prozent mit Nein - und nur 3,4 mit "Weiß nicht".
Sollte das stimmen, müsste sich Deutschland nie wieder um den Bildungsstand seiner Bürger sorgen. Von denen wären mehr als 96 Prozent sogar über Detailfragen der Gentechnik bestens informiert.
Klingt unwahrscheinlich? Ist es auch. Über die wahren Gründe der offenbar ebenso tiefen wie überzeugten Genfood-Aversion der Deutschen lässt sich indes nur spekulieren. Fragen, die hier Licht ins Dunkel hätten bringen können, wurden bei der Erhebung gar nicht erst gestellt.
Das alles hindert Gentechnik-Kritiker bis hinein in die Bundestagsfraktionen freilich keineswegs daran, mit Hilfe derartiger Umfragen einen Gentechnik-Bann zu verlangen. Die Debatte ums Genfood erinnert damit an jene um Stammzellforschung, Mobilfunkanlagen und Stromtrassen, Atomenergie und Windräder: Sachliche Argumente haben im Zweifel wenig Chancen. Da können noch so viele Studien Entwarnung geben, am Ende heißt es: "Ich habe aber Angst."
Die Kritiker fordern gern, dass so lange geforscht wird, bis auch das kleinste Restrisiko für alle Zeiten ausgeschlossen werden kann - wohl wissend, dass dies kein seriöser Wissenschaftler jemals wagen würde.
Ein weiteres Argument ist das Profitstreben der Lebensmittelkonzerne - als ob der Bio-Bauer von gefühlt nebenan keine knallharten finanziellen Interessen hätte. Mit denen argumentieren interessanterweise sogar die Grünen: "Allein die 190 Mitglieder des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik erzielen einen Jahresumsatz von 68 Milliarden Euro", heißt es in einem aktuellen Positionspapier der Grünen-Bundestagsfraktion. Das gelte es mit einem Verbot von Genmais zu schützen.
Nicht in meinem Vorgarten!
Nun könnte man meinen, dass in Deutschland auch ohne Gentechnik niemand verhungern wird. Warum also sollte man ohne Not ein Risiko eingehen? Das aber wäre - Windräder, Stromtrassen und Mobilfunkmasten lassen grüßen - die für Deutschland nicht ganz untypische "Nicht in meinem Vorgarten"-Denkweise. Wer den Blick über die Staatsgrenzen wagt, könnte dagegen durchaus zu dem Schluss kommen, dass das Risiko, auf genetisch verändertes Getreide zu verzichten, größer wäre als sein Einsatz.
Schon heute verbraucht die Menschheit etwa eineinhalbmal so viele Ressourcen, wie die Erde bereithält. Dass sich das in Zukunft bessert, ist kaum zu erwarten: Die Weltbevölkerung wächst, und zugleich steigt der Wohlstand ausgerechnet in den bevölkerungsreichsten Gebieten, allen voran Asien - was einen noch größeren Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch verspricht.
Allein in den vergangenen 150 Jahren hat die Welt die Hälfte ihrer fruchtbaren Böden verloren. Hinzu kommt der Klimawandel, der viele dieser Probleme in Zukunft noch verstärken dürfte. Schon heute leiden rund eine Milliarde Menschen an Mangelernährung. Dennoch gilt es, in den kommenden 40 Jahren die gleiche Menge an Lebensmitteln herzustellen wie in den vergangenen 8000 Jahren zusammen.
Für die Konzerne ist das ein ideales Umfeld, enorme Marktmacht zu erlangen und ungeheure Gewinne anzuhäufen. Was aber tun die Deutschen, um das zu verhindern? Eine Strategie wäre ein staatliches Agrarforschungsprogramm - nicht, um Konzerne zu fördern, sondern um an Universitäten und Forschungsinstituten das nötige Know-how zu schaffen, um die Macht der Konzerne zu kontern.
Das Problem: Würde ein Politiker in Deutschland Derartiges verlangen, müsste er sich auf einen Karriereknick gefasst machen.