Bürgerkrieg in Äthiopien 1,8 Millionen Menschen in Tigray von Hunger bedroht

Beim Bürgerkrieg in Tigray wurde Hunger als Waffe eingesetzt. In den letzten Wochen hat sich die Lage noch einmal dramatisch verschärft, wie ein hochrangiger Uno-Mitarbeiter im Sicherheitsrat berichtet.
Unterernährtes Kind in Äthiopien: Immer mehr Menschen sind vom Hungertod bedroht

Unterernährtes Kind in Äthiopien: Immer mehr Menschen sind vom Hungertod bedroht

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Ben Curtis / AP

Die humanitäre Krise in der äthiopischen Konfliktregion Tigray hat sich nach Angaben der Uno weiter verschärft, sagte der amtierende Chef des Uno-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha), Ramesh Rajasingham, am Freitag bei einer Sitzung des Sicherheitsrats.

Die Lage in Tigray habe sich in den vergangenen Wochen »dramatisch verschlechtert«. 1,8 Millionen Bewohner der Region seien von Hunger bedroht. »33.000 Kinder sind schwer unterernährt«, sagte Rajasingham. »Das Leben vieler dieser Menschen hängt davon ab, dass wir sie mit Essen und Medizin erreichen.« Diese Hilfe müsse sofort erfolgen. »Nicht nächste Woche. Jetzt«, betonte der Ocha-Chef.

Monatelange Kämpfe, Berichte über Gewaltexzesse

Das Treffen des Uno-Sicherheitsrats war von den USA, Irland und Großbritannien beantragt worden. Es war die erste öffentliche Sitzung des Gremiums seit November. Zuvor hatten sich mehrere afrikanische Mitgliedstaaten widersetzt, die in dem Konflikt in Tigray eine innere Angelegenheit Äthiopiens sehen. Diese Ansicht vertreten auch die ständigen Sicherheitsratsmitglieder China und Russland.

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Gefangen in Tigray

Foto: Yasuyoshi Chiba / AFP

Äthiopische Regierungstruppen hatten im November die in Tigray regierende TPLF angegriffen. Ministerpräsident Abiy Ahmed, der 2019 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, begründete den Einmarsch damit, dass Aufständische zuvor Militärbasen angegriffen hätten. Kurz darauf erklärte er die TPLF für besiegt.

Doch auch Monate später gingen die Kämpfe weiter. Immer wieder gab es Berichte über Gewaltexzesse und zahlreiche zivile Opfer. Am Montag hatte die Regierung in Addis Abeba eine einseitige Waffenruhe bis September verkündet , nachdem die Aufständischen in die Regionalhauptstadt Mek'ele einmarschiert waren. Die Kämpfer der Volksbefreiungsfront TPLF lehnten die Waffenruhe ab. Es gibt Hinweise, dass sie nun planen, ihren Kampf auf weitere Regionen über Tigray hinaus auszudehnen.

Hunger und Vergewaltigungen als Kriegswaffen

Die TPLF war bis zur Wahl des Premiers Abiy Ahmed die mächtigste Gruppierung in Äthiopien. Nachdem Abiy sein Amt angetreten hatte, stellten sich die Tigrayer offen gegen die Zentralregierung, indem sie regionale Wahlen abhielten. In der Folge begannen Abiys Truppen einen brutalen Feldzug – unterstützt von der Armee des benachbarten Eritrea, des langjährigen Erzfeindes Äthiopiens.

Seit November letzten Jahres hielten das äthiopische Militär und seine Verbündeten die nördliche Region Tigray weitgehend besetzt. Die Offensive richtete sich nicht nur gegen die Kämpfer, sondern gegen die gesamte tigrayische Bevölkerung. Hunger und Vergewaltigungen wurden gezielt und großflächig als Kriegswaffen eingesetzt.

Das brutale Vorgehen der gegnerischen Truppen verschaffte den tigrayischen Kampfverbänden offenbar Zulauf, sodass sie sich neu formieren und eine erfolgreiche Gegenoffensive starten konnten.

irb/AFP/Reuters
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