Aus türkischem Exil Gefürchteter Warlord Dostum kehrt nach Afghanistan zurück

Während die Taliban in Afghanistan zunehmend an Macht gewinnen, erhofft sich die Regierung Hilfe von einem Milizenchef. Mehrfach hat er die Taliban mit extremer Brutalität bekämpft.
Sicherheitskräfte in Afghanistan

Sicherheitskräfte in Afghanistan

Foto: JALIL AHMAD / REUTERS

Angesichts des Vormarsches der Taliban am Hindukusch ist der wegen seiner Brutalität gefürchtete Kriegsherr Abdul Raschid Dostum aus der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt. Dostum traf zu Gesprächen mit der Regierung in der Hauptstadt Kabul ein, wie sein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP sagte. Thema sollte demnach die Sicherheit in der nördlichen Provinz Dschausdschan sein. Russland startete unterdessen an der tadschikisch-afghanischen Grenze gemeinsame Militärübungen mit Usbekistan und Tadschikistan.

Dostum wollte sich nach Angaben seines Sprechers auch mit Präsident Aschraf Ghani treffen. Offenbar hofft die Regierung in Kabul auf Hilfe durch Dostums Miliz, um die Taliban im Norden zurückzudrängen. Dem Warlord untersteht eine der größten Milizen im Norden. Dostum, ein ethnischer Usbeke, hat während der blutigen Konflikte der vergangenen Jahrzehnte immer wieder die Seiten gewechselt und war zeitweise auch Vizepräsident.

Dostums Miliz hatte in den Neunzigerjahren die Taliban mit extremer Brutalität bekämpft. Zwischen 2014 und 2019 war Dostum Vizepräsident unter Ghani, mit dem er sich dann überwarf. Einen Großteil seiner Amtszeit als Vizepräsident verbrachte Dostum allerdings im Exil in der Türkei, weil ihm in Afghanistan ein Verfahren wegen Entführung, Misshandlung und Vergewaltigung drohte. Es wird vermutet, dass er in den vergangenen Monaten in der Türkei medizinisch behandelt wurde.

Parallel zum rasch fortschreitenden Abzug der Nato-Truppen liefern sich Regierungstruppen und Taliban in Afghanistan erbitterte Kämpfe. Die Islamisten haben bereits weite Teile des Landes erobert, zuletzt attackierten sie mehrere Provinzhauptstädte.

Friedensgespräche stocken

Besonders gravierend ist die Situation derzeit in Laschkar Gah, der Hauptstadt der südlichen Provinz Helmand. Nach Uno-Angaben wurden dort in den vergangenen Tagen Dutzende Zivilisten getötet. Zugleich sind die monatelangen Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban in Katars Hauptstadt Doha ins Stocken geraten.

Die EU verurteilte die jüngsten Angriffe der Taliban und forderte eine »umfassende und dauerhafte« Waffenruhe. »Die Militäroffensive der Taliban steht in direktem Widerspruch zu ihrem erklärten Engagement für eine Verhandlungslösung des Konflikts«, erklärten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarčič.

Die Taliban verstießen gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte unter anderem durch »willkürliche und außergerichtliche Tötungen von Zivilisten, öffentliche Auspeitschungen von Frauen und die Zerstörung der Infrastruktur«, betonten die EU-Spitzenvertreter. Sie forderten eine Untersuchung der mutmaßlich als Kriegsverbrechen einzustufenden Handlungen.

Der Uno-Sicherheitsrat will sich am Freitag mit der Eskalation der Kämpfe in Afghanistan befassen. Nach Angaben von Diplomaten wurde die Sitzung von Afghanistan zusammen mit Estland und Norwegen beantragt.

mfh/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten