Internationaler Strafgerichtshof Ermittler dürfen möglichen Kriegsverbrechen in Afghanistan nachgehen

Umstrittener Einsatz: US-Soldaten hissen im Oktober 2009 ihre Flagge an einer Basis im Süden Afghanistans
Foto:DAVID FURST/ AFP
Es ist ein Novum in der Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH): Erstmals soll es Ermittlungen auch gegen US-Bürger geben. Die Staatsanwältin Fatou Bensouda sei befugt, eine Ermittlung zu mutmaßlichen Verbrechen in Afghanistan ab Mai 2003 einzuleiten, teilte Richter Piotr Hofmanski mit. Der Gerichtshof kippte damit eine Entscheidung aus erster Instanz.
Die Richter des in Den Haag ansässigen IStGH hatten vor knapp einem Jahr Ermittlungen zu Afghanistan abgelehnt. Sie begründeten ihre Entscheidung damals damit, dass Ermittlungen "zu diesem Zeitpunkt den Interessen der Justiz nicht dienlich" seien.
Die Chefanklägerin Bensouda hatte 2017 beim IStGH beantragt, Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Afghanistan einleiten zu können. Konkret ging es um Vorwürfe gegen die radikalislamischen Taliban und afghanische Regierungstruppen ab 2003, aber auch um mögliche Verbrechen ausländischer Militärs, insbesondere von US-Soldaten und Angehörigen des US-Geheimdienstes CIA. Seit 2006 liefen dazu Vorermittlungen.
Im September legte Bensouda Einspruch gegen die Entscheidung ein. Bei einer Anhörung im Dezember sprachen sich auch Opfervertreter erneut für die Einleitung von Ermittlungen aus.
Diesmal entschieden die Richter, dass auch Ermittlungen gegen Angehörige der CIA möglich seien. Zu möglichen Kriegsverbrechen in mutmaßlich geheimen Gefangenenlagern der US-Streitkräfte außerhalb von Afghanistan darf die Anklage nun ebenfalls offiziell ermitteln.
Trump-Regierung schikaniert Mitarbeiter des Gerichts
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump lehnt Ermittlungen des IStGH zu Afghanistan ab, sein Land gehört dem Gericht ohnehin nicht an. Kurz vor der Entscheidung in erster Instanz verhängte Washington deshalb Visasperren gegen Mitarbeiter des Gerichts. Der Chefanklägerin Bensouda wurde das Visum für die USA entzogen.
Die USA und die radikalislamischen Taliban hatten am Wochenende ein Abkommen unterzeichnet, das den Weg für einen dauerhaften Frieden in Afghanistan und für einen Abzug der US-Truppen aus dem Land ebnen soll. Allerdings gab es seither bereits Dutzende Taliban-Angriffe, die USA reagierten mit einem Luftangriff. Allein im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Vereinten Nationen in Afghanistan fast 3500 Zivilisten getötet und rund 7000 weitere verletzt.
Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. 123 Staaten haben den Grundlagenvertrag des Gerichts ratifiziert, das sogenannte Römische Statut. Die USA, Israel und Russland sind nicht Mitglied.
Ermittlungen beim IStGH ziehen sich in der Regel über Jahre hinweg. Es ist nicht abzusehen, ob sie in diesem Fall auch zu Haftbefehlen oder einem Prozess führen werden.