Urteil gegen Alex Jones Warum dieser US-Hetzer eine Milliarde Dollar Strafe zahlen muss

Alex Jones: Urteil ein »Witz«
Foto: MIKE SEGAR / REUTERSDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
US-Verschwörungstheoretiker Alex Jones ist am Mittwoch zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von fast einer Milliarde Dollar verurteilt worden. Selbst wohnte Jones dem Urteil im Gerichtssaal nicht bei, er machte sich lieber live vor der Kamera darüber lustig. Wer ist der Mann? Und werden die Opfer ihr Geld bekommen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum ist Jones verurteilt worden?
Wegen seiner falschen Behauptungen zum Massaker an der Sandy-Hook-Grundschule im Dezember 2012. Ein 20-Jähriger war damals in die Schule in Newtown im US-Bundesstaat Connecticut eingedrungen und hatte mit einem Sturmgewehr 20 Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren sowie sechs Erwachsene erschossen. Zuvor hatte er seine Mutter in ihrem Wohnhaus getötet. Der Täter beging Suizid. Sein Motiv ist unklar. Er soll psychische Probleme gehabt haben.
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hier finden Sie – auch anonyme – Hilfsangebote in vermeintlich ausweglosen Lebenslagen. Per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch.
Radiomoderator Alex Jones, Gründer der rechten Webseite »Infowars«, verbreitete jedoch bereits Stunden nach der Tat, der Amoklauf sei vorgetäuscht worden, um einen Vorwand für die Beschlagnahmung von Waffen zu haben. Trauernde Eltern seien nur Schauspieler. Angehörige der getöteten Kinder und Lehrkräfte reichten später Klage gegen Jones ein.
Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule: Der Abschlussbericht der Ermittler von 2013
Nun ist Jones für die falschen Behauptungen verurteilt worden. Insgesamt muss er demnach 965 Millionen US-Dollar an Schadensersatz zahlen, die Höhe ergibt sich aus den Summen, die das Gericht den insgesamt 15 Klägerinnen und Klägern zugesprochen hat. Die größte Einzelsumme von 120 Millionen Dollar soll laut »New York Times« ein Vater eines getöteten Mädchens erhalten, der von Jones als Schauspieler bezeichnet worden war. Der Mann hatte danach auch Todesdrohungen erhalten. Und schon im August war Jones von einem texanischen Geschworenengericht zur Zahlung von 45,2 Millionen Dollar an Eltern eines getöteten Kindes verurteilt worden.

Alex Jones in seiner Sendung: Vor Gericht wurden auch Videos gezeigt
Foto: H John Voorhees III / APEine Milliarde Dollar – kann er das bezahlen?
Die Rechtsprofessorin Jessica Levinson sprach beim US-Sender CBS von einer »astronomischen Summe«, die Jones wohl in den Bankrott treiben werde und das Ende von »Infowars« bedeuten könne. Denn wahrscheinlich kann Jones die eine Milliarde Dollar nicht zahlen. Der Moderator hatte vor Gericht erklärt, er könne nicht mehr als zwei Millionen US-Dollar aufbringen. Im August hatte sein Unternehmen Free Speech Systems Konkurs angemeldet.
Die Sandy-Hook-Familien zweifeln das aber an. »Alex Jones ist nicht finanziell bankrott, er ist moralisch bankrott«, hatte Kyle Farrar, ein Anwalt der Familien, im August der »New York Times« gesagt. Jones soll sein Geld demnach in fragwürdigen Finanzvehikeln verstecken, von denen er und seine Familie profitierten. Wegen Schulden in Höhe von 54 Millionen Dollar sei er insolvent, sagte Jones. Doch das Geld schuldet er angeblich dem Unternehmen PQPR – die Firma kontrolliert er laut »New York Times« und »Bloomberg« allerdings selbst.
Vor Gericht bezifferte ein Analyst den Wert von Jones »Infowars«-Geflecht derweil mit rund 270 Millionen US-Dollar. Das ist zwar immer noch weit von der einen Milliarde entfernt, dürfte den Klägerinnen und Klägern aber Hoffnung machen, dass sie zumindest einen Teil des Geldes erhalten, der ihnen zusteht.
Wie reagiert Jones?
Alex Jones bezeichnete die Verurteilung als einen »Witz«. Als das Urteil fiel, saß er zwar nicht im Gerichtssaal, verfolgte den Prozess aber in seiner Liveshow. Dabei machte er sich über die Schadensersatzzahlungen lustig. »Glauben diese Leute wirklich, dass sie etwas von diesem Geld bekommen?«, sagte er laut NBC-Reporterin Brandy Zadrozny.
As the jury reads the damages and the Sandy Hook parents weep, Alex Jones is on his broadcast, laughing and assuring his audience that he won't actually be paying any of this money.
— Brandy Zadrozny (@BrandyZadrozny) October 12, 2022
"Do these people actually think they're getting any of this money?" pic.twitter.com/k9brmHaBWC
Die »New York Times« berichtet, Jones habe sein Publikum um Spenden gebeten, um »Infowars« zu retten. »Für Hunderttausende von Dollar kann ich sie jahrelang vor Gericht halten. Ich kann gegen dieses Zeug Berufung einlegen«, sagte er der Zeitung zufolge. Vor Gericht hatte sich Jones weitgehend uneinsichtig gezeigt und erklärt, er habe sich so oft entschuldigt, er wolle die Entschuldigungen nicht wiederholen.
Wer ist Alex Jones?
Jones ist Amerikas oberster Verschwörungstheoretiker. Der 48-Jährige behauptet, dass sich angebliche globale Eliten gegen die USA verbündet haben, um das Land zu zerstören. Gleichgeschlechtliche Ehen seien eine Verschwörung eines globalen Geheimbundes, »um den Zusammenbruch der Familie zu bewirken« und »Gott abzuschaffen«. Er war sich zu »95 Prozent sicher«, dass das World Trade Center am 11. September 2001 nicht durch einen Anschlag zerstört, sondern von der US-Regierung gesprengt wurde.
Und, das dürfte kaum überraschen, Jones ist ein lautstarker Unterstützer des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. »Der Mann, der Trump die Lügen ins Ohr setzt«, schrieb der SPIEGEL in einer Reportage im Jahr 2017 über Jones. So machte er sich etwa Trumps Falschbehauptung zu eigen, dessen Wahlniederlage gegen den heutigen Präsidenten Joe Biden bei der Wahl 2020 sei auf massiven Betrug zurückzuführen. Seine kruden Behauptungen verbreitet Jones vor allem über seine Webseite »Infowars«.