Russischer Oppositioneller Charité-Ärzte veröffentlichen Fachartikel zur Vergiftung Nawalnys

Alexej Nawalny mit seiner Familie in der Berliner Charité (September 2020): »Sein guter Gesundheitsstatus vor der Vergiftung hat wahrscheinlich seine Erholung begünstigt«
Foto: Alexei Navalny / ddp mediaÄrzte der Berliner Charité haben in der Fachzeitschrift »The Lancet« einen medizinischen Bericht zur Vergiftung des Kremlgegners Alexej Nawalny veröffentlicht. »In der Charité wurde eine schwere Vergiftung mit einem Cholinesterase-Hemmstoff diagnostiziert«, teilte die Klinik mit. Die Mediziner zeichnen in dem Artikel auf vier Seiten erstmals nach, welche Symptome das von Moskau in den Achtzigerjahren entwickelte Nervengift der Nowitschok-Gruppe auslöst.
Demnach fiel Nawalny in ein Koma, der Herzschlag verlangsamte sich massiv, die Körpertemperatur sank auf 34,4 und zeitweise auf 33,5 Grad Celsius, hieß es in dem Artikel , der mit Einverständnis des Patienten erschien. Russland bestreitet bis heute, dass Nawalny am 20. August in der sibirischen Stadt Tomsk vergiftet wurde. (Mehr zu dem Fall lesen Sie hier .)
Ärzte in der Klinik in Omsk hatten dem 44-Jährigen zum Entsetzen anderer Kollegen lediglich eine Stoffwechselstörung bescheinigt. Moskau hatte immer wieder Beweise für eine Vergiftung gefordert. Die Ärzte der Charité verwiesen darauf, dass sie Nawalny nach seiner Ankunft am 22. August Blut- und Urinproben abgenommen hätten.
Ein Bundeswehrlabor fand später heraus, dass es sich bei dem Gift um einen verbotenen Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe handelte. Das wurde von drei weiteren Labors in Frankreich, in Schweden und bei der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) bestätigt. Russland tut die Vorwürfe als politische Kampagne ab.
Nawalny hatte großes Glück
Die Ärzte verglichen die Wirkungsweise des Nervengifts Nowitschok mit denen von Organophosphaten, die zur chemischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Sie vermuten, dass Nawalny überlebte, weil er nach Einsetzen der Symptome sehr schnell behandelt wurde – unter anderem mit dem als Gegengift genutzten Atropin und mit künstlicher Beatmung.
Nawalny hatte dem Bericht zufolge großes Glück, dass der Anschlag nicht schlimmer ausgegangen ist. »Sein guter Gesundheitsstatus vor der Vergiftung hat wahrscheinlich seine Erholung begünstigt«, stellten die Ärzte fest.
Der Oppositionelle macht ein Kommando des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich für den Giftanschlag, das unter dem Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin gehandelt habe. Der Kreml weist das zurück und wirft Nawalny »Verfolgungswahn« vor. Deutschland hingegen hält Russland für den Anschlag verantwortlich. Russland reagierte auf Sanktionen der EU im Fall Nawalny mit Gegensanktionen.