Kremlkritiker im Straflager Nawalny offenbar nach Aufenthalt in Strafzelle erkrankt

Alexej Nawalny auf einem Bildschirm während einer Anhörung vor Gericht im Mai 2022
Foto: EVGENIA NOVOZHENINA / REUTERSDer seit fast zwei Jahren inhaftierte russische Kremlkritiker Alexej Nawalny hat aus dem Straflager heraus erneut von Schikanen berichtet – und ist offenbar erkrankt. Eigenen Angaben zufolge verbrachte er Silvester in einer Strafzelle. Die Gefängnisverwaltung habe am 31. Dezember beschlossen, ihn wegen eines Regelverstoßes 15 Tage dorthin zu verlegen, hieß es auf Nawalnys Twitteraccount. Ihm wurde demnach vorgeworfen, sich morgens 36 Minuten früher als vorgeschrieben das Gesicht gewaschen zu haben.
2/9 Convict Navalny, surveillance operator noticed that you washed your face at 5:24 in the morning, while according to the schedule you wake up at 5:00 and wash at 6:00.
— Alexey Navalny (@navalny) January 9, 2023
»So wurden meine Pläne für ein schickes Neujahr ruiniert«, schrieb Nawalny. Dabei habe er extra für diesen Anlass eine Tüte Kartoffelchips und eine Dose Fisch aufgehoben. Eigenen Angaben zufolge verbrachte er Silvester mit zwei anderen Häftlingen, von denen einer »psychotisch« gewesen sei und »schrie«. Der andere Häftling sei nach Silvester für einen Tag aus der Zelle geholt und in die medizinische Abteilung des Straflagers gebracht worden, schrieb Nawalny – dort soll demnach gerade eine Grippewelle umgehen. Im Anschluss sei er zu Nawalny zurückgebracht worden.
Anwalt spricht von Fieber, Schüttelfrost und Husten
»Es scheint, als würden sie ihn als Biowaffe einsetzen«, schrieb Nawalny weiter. Sein Anwalt Wadim Kobsew twitterte unterdessen, sein Mandant sei erkrankt und leide unter Fieber, Schüttelfrost und Husten. Bislang sei es noch nicht gelungen, Nawalny mit Medikamenten zu versorgen. Nawalnys Unterstützer sind überzeugt, dass die Gründe, mit denen der 46-Jährige immer wieder in Einzelhaft verlegt wird, nur vorgeschoben sind, um seinen Willen zu brechen.
Nawalny sitzt wegen angeblichen Betrugs unter besonders harten Haftbedingungen im Straflager. Im vergangenen Mai bestätigte ein Gericht die neunjährige Haftstrafe. International gilt er als politischer Gefangener und schärfster Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin.
Der Oppositionspolitiker selbst, der für seinen Humor bekannt ist, erklärte auf Twitter, erstmals seit seiner Kindheit habe er Neujahr verschlafen – weil die Bestimmungen in der Isolationszelle Bettruhe ab 21 Uhr vorsehen. »Insgesamt bin ich zufrieden«, fügte er hinzu. »Andere Menschen zahlen Geld dafür, um auf ungewöhnliche Weise Silvester zu feiern – und ich habe das kostenlos bekommen.«