Nach SPIEGEL-Gespräch Interview mit Nawalny wird weltweit debattiert

Kremlgegner Alexej Nawalny: "Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht"
Foto: Peter Rigaud / DER SPIEGELDer russische Oppositionsführer Alexej Nawalny hat in einem Interview mit dem SPIEGEL erstmals über seine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok gesprochen - und einen Schuldigen ausgemacht: "Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht, und andere Versionen des Tathergangs habe ich nicht." Internationale Medien haben das Interview aufgegriffen. Auch russische Akteure äußerten sich.
Vom US-amerikanischen "Time"-Magazin und dem britischen "Guardian" bis hin zum französischen "Figaro" und der "South China Morning Post" berichten Nachrichtenseiten über das SPIEGEL-Gespräch. Das "Time"-Magazin schreibt, Nawalny habe zwar schon zuvor über seinen Gesundheitszustand getwittert, das Interview sei aber ein Novum mit seiner deutlichen Anschuldigung gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Wie Medien aus aller Welt über das Nawalny-Interview berichten
Nawalny ist Russlands prominentester Oppositioneller. Nach dem Anschlag, der am 20. August in der sibirischen Stadt Tomsk auf sein Leben verübt wurde, war er in der Berliner Charité behandelt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihn dort besucht. Erst vergangene Woche war der Kremlgegner entlassen worden.
Im SPIEGEL-Gespräch redete Nawalny über seine Nahtoderfahrung und seine Zukunft. Er kündigt zudem an, nach Russland zurückzukehren. "Meine Aufgabe ist jetzt, der Typ zu bleiben, der keine Angst hat. Und ich habe keine Angst!"
Der britische Historiker Timothy Garton Ash bezeichnete das SPIEGEL-Interview auf Twitter als "außergewöhnlich". Nawalny habe hier Zeugnis abgelegt und lege die kriminelle Energie wie Zerbrechlichkeit von "Putins Regime" offen.
Auch der "Figaro" urteilt, Nawalny habe dem SPIEGEL ein "durchschlagendes" Interview gewährt - und bringe somit erneut die Frage nach EU-Sanktionen gegen Russland ins Spiel. Zugleich gebe er aber so Gegnern in Russland Munition, er sei "vom Westen manipuliert".
Russische Politiker wittern hinter dem Interview eine Verschwörung
Tatsächlich behauptete Wjatscheslaw Wolodin, ein hochrangiger Vertreter der russischen Führung, gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Tass , Nawalny kooperiere mit westlichen Geheimdiensten. Er bezeichnete den Oppositionellen als "schamlos". Russlands Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, nannte das SPIEGEL-Interview eine "minderwertige Dichtung".
Nach der Veröffentlichung äußerten sich die 27 EU-Staaten am Rande des EU-Sondergipfels zum Fall. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es mit Blick auf das Nervengift Nowitschok: "Der Gebrauch einer chemischen Waffe stellt einen ernst zu nehmenden Bruch internationalen Rechts dar." Man rufe die russischen Behörden dazu auf, vollständig mit der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen zusammenzuarbeiten, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sagte EU-Ratschef Charles Michel in der Nacht zum Freitag.